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Reinhold Aumaier präsentiert eine wahre Augenausfischerei.

Das jüngste Buch des oberösterreichischen Autors Reinhold Aumaier ist kein gewöhnliches. Es widersetzt sich schlicht und einfach jeglicher herkömmlichen Rezeption.

Zunächst einmal stolpert man als Leser über den leicht irritierenden Titel "Augenausfischerei", der jedoch zugleich die erste Fährte in den Text legt. Der ausgetauschte Buchstabe löst zumindest ein zweimaliges Hinschauen aus. Fest steht auch, dass man hier keinen leidenschaftlichen Geschichtenerzähler vor sich hat. Hier wird nicht fabuliert, dass es eine Freude ist, denn Aumaier ist ein Meister der autonomen Sätze und versagt sich strikt jedwede Narration.

Kennt man, könnte an dieser Stelle eingewendet werden: Aphorismen und Gedankenpassagen. Eben nicht ganz so. Denn Aumaier bindet seine Sätze unverknüpft und ohne inneren Zusammenhang, aber ganz in Prosamanier aneinander. Das klingt etwa so: "Für viele war Haider eine Hoffnung. Schönen Nachmittag, säuselt eine Stimme ins überraschte Ohr, ich bin ihre persönliche Abendsonne und komme gleich. Eine Note wird erst dann schlecht, wenn etwas faul ist am Schüler, klärt die Lehrerin das Opfer auf." Aumaiers Sätze sind beliebig aus dem Textganzen herausschälbar und stehen für sich. Schließlich schlägt jeder Satz ein neues Thema an. Eine wahre Augenausfischerei eben, ein Rausch der Sätze oder ein Konglomerat, wie Aumaier selbst sein Textkorpus nennt.

Das vorangestellte Zitat von Wolfgang Rihm verweist en miniature auf das zugrunde liegende Prinzip: "Im Grunde erzeugt jedes Stück eine eigene Form, eine, die nur ihm gehört." Auch in diesem Sätzeteppich erlangt hier Kompiliertes als Teil von Gedanken, Findungen aus dem Alltagsleben etc. vollkommene Eigenständigkeit.

Damit entfällt der rote Faden und die herkömmliche inhaltliche Annäherung an den Text. Thematisch gesehen werden allerdings Fährten immer wieder leitmotivartig aufgenommen. Da sind zunächst einmal die unzähligen Anspielungen auf politische Phänomene: "Es wäre nicht Jörg Haider, wenn er nicht beim Löschen zündeln würde." An anderer Stelle heißt es: "Bin schon weg, sagte er und blieb auf seiner Lüge sitzen." Dann wieder: "Die Zurufe aus Kärnten sind deutlich weniger geworden und werden eines Tages in den Karawanken ihr letztes Echo finden." Von Khol erfahren wir, dass er "sein Schicksal mit jenem von Schwarz-Blau verknüpft", die Grünen verlieren langsam Heu- und Wahlschreckqualitäten. Und natürlich ist von allerlei Wenden (inklusive Wendetreppe) die Rede. Es ist also nicht nur diese Verweigerungshaltung an den traditionellen Text, sondern auch der feinsinnige Umgang mit dem Wortmaterial, der dieses Buch zu einem besonderen und innovativen macht.

Man könnte sich hier auf die Suche machen nach zahlreichen Versatzstücken aus Alltag, Literatur ("Der Kopfsprung vom Rilkesims: aller Poeten kleiner Tod." Oder die lapidare Frage: "Was macht Ernst Jandl unter der Erd?"), nach Zeitungs- und Tagesmeldungen, die Aumaier auf gelungene Weise verarbeitet hat. Redewendungen werden aufgebrochen, Wörter ausgetauscht und in einen neuen Sinnzusammenhang gestellt: "Wo gehoppelt wird, da fallen Haken an, mümmelte der Hase in den Bart des Philosophen, der sofort seinen Notizblock zückt."

Neben dem traditionellen Liedgut ("An einem Bächlein helle - da war einmal und findet kaum noch statt.") sickern in besonderer Weise die Inszenierungen der Werbung exemplarisch für sprachliche Schleifen durch den Alltag in die Seiten. Einfach und klar nimmt sich etwa diese Botschaft aus: "Der Sensenmann bringt allen was."

Sehr gerne schwingt Aumaier auch ins Meteorologische aus. Die blumigen Umschreibungen der Wetterphänomene, mit denen man täglich konfrontiert ist, werden subtil ironisiert: "Der Regen, begonnen als Katzenwäsche für die Nacht, zieht im Lauf des Vormittages die Zunge ein." Dann wieder sind "den Frühtemperaturen ein Mangel an Frische vorzuwerfen". "Das Wochenende verspricht nichts - es dürfte einfach kalt werden und feucht." Von Sonnenfenstern und "gefühlten Temperaturen" geht es schnurstracks zur "gefühlten Teuerung".

Aumaier beschränkt sich jedoch nicht nur auf Sprach-Mimikry mit Versatzstücken, sondern kreiert auch aphoristische Sager, die es wert sind, sich einzuprägen: "Geh mir aus der Sonne, zischte deren Anbeterin ihrem Anbeter mitten ins Gesicht." Oder: "Der eigentliche Schwarzfahrer, der Tod, wird nie erwischt." Mit Aumaier hat man einen gefinkelten Wortkünstler vor sich. Pointiert wird Herausgefischtes neu positioniert. Gerade das forciert ein langsames Lesen und Sich-Einlassen auf den Satz. "Das Leben treibt sein eigenes (Ringel)Spiel." Da fischt man sich doch glatt die Augen aus!

Augenausfischerei

Konglomerat. Von Reinhold Aumaier. Ritter Verlag, Klagenfurt 2004

93 Seiten, brosch., e 13,90

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