Der Sozialismus lebe

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Norman Birnbaums Analyse der Entwicklung des Sozialismus.

Der renommierte Sozialwissenschaftler Norman Birnbaum, emeritierter Professor für Soziologie an der Georgetown Universität in Washington, ist einer der führenden Intellektuellen der politischen Linken. In seinem Buch "Nach dem Fortschritt" zeichnet er kundig die Entwicklung des Sozialismus im 19. und 20. Jahrhundert nach, sowohl in Europa wie in den USA. Leider gelingt es ihm nicht immer, zwischen Ideologie und wissenschaftlicher Distanz zu unterscheiden. Aussagen wie "das internationale Kapital" ohne nähere Erklärungen werten das ausgesprochen lesbare Buch unnötigerweise ab. Zielpublikum ist ja nicht der Student der Wirtschaftswissenschaft, dem Begriffe wie Kapital und Arbeit als "Produktionsfaktoren" geläufig sind.

Besonders erfreulich aber ist, dass der Autor nicht nur ein Kenner der großen europäischen Staaten ist, sondern gerade die kleineren Länder wie Schweden und den Weg des Sozialismus in Österreich sehr überzeugend darstellen kann. Die Zäsur des Jahres 1989 mit dem Zusammenbruch des real existierenden Sozialismus, aber auch den scheinbar unangefochtenen Sieg des Kapitalismus hinterfragt Birnbaum kritisch, der seine Hoffnung erkennen lässt, dass der Sozialismus in veränderter Form durchaus auch im 21. Jahrhundert noch eine Chance haben kann. Im letzten Kapitel - "Ist Solidarität möglich?" - kommt der Autor zum Fazit: "Eine Gesellschaft ist kein Markt, und Bürger sind keine Kostenfaktoren". Überzeugend neue, schlüssige Modelle und Visionen kann er der Gesellschaft des neuen Jahrtausends aber nicht anbieten. Das Buch ist vor dem 11. September 2001 erschienen, wodurch die Aktualität natürlich leidet. Der deutsche Übersetzer bzw. Lektor hätte wohl besser Sätze wie "bis zu den Wahlen im Jahr 2002 ist es noch lange" entfernt. Mit 496 Seiten erhält der Leser aber einen sehr fundierten Überblick über die politische Entwicklung in Europa und den USA der letzten 150 Jahre, immer mit wohlwollenden Wertungen des linken Denkers versehen, der oft wehmütig den verpassten Chancen des Sozialismus nachtrauert, als Sozialisten und Sozialdemokraten durch Alleinregierungen oder in Koalitionen die Möglichkeit hatten, gesellschaftliche Veränderungen durchzuführen. Weil die Gesellschaft nicht alleine vom freien Spiel der Kräfte abhängen darf und soll, lohnt es sich nach Ansicht des Autors noch immer, für sozialistische Positionen zu streiten.

Nach dem Fortschritt

Vorletzte Anmerkungen zum Sozialismus

Von Norman Birnbaum Deutsche Verlags-Anstalt, München 2003

496 Seiten, geb., e 35,-

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