Gefangen zwischen Liebe und Moral

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Haus Bellomont - Die verborgene leidenschaft der Lily Bart - The house of Mirth

Eine zurückhaltende, elegante, an Eindrücken und Einsichten reiche Literaturverfilmung: Terence Davies, britischer Regisseur mit reifem Stilbewusstsein, verfilmt einen Roman der Amerikanerin Edith Wharton, die, darin Jane Austin verwandt, ein Gesellschaftsporträt der High Society mit kritischem Grundton verfasst. Die schöne Lily Bart ist aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse auf eine reiche Heirat angewiesen, und setzt diese aufs Spiel, als sie sich in den Anwalt Laurence Seldon verliebt, nicht ahnend, wie oberflächlich die Moral ihres Kreises ist, der nur darauf wartet, dass sich Lily Bart verwundbar zeigt. Aufwendiges Liebesdrama, das allein durch die Vorlage eine Nähe zum moralischen Traktat aufweist, erwachsenen Zuschauern nahegelegt und möglich ab 15 Jahre.

Einen zeitlosen Zynismus möchte Regisseur Terence Davies in seinem Film herausstellen, die Kultur unserer Tage, vor allem die amerikanische, als eine moderne erkennen, die dieselben Muster wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufweist: "Es geht ausschließlich darum, wie man aussieht, wie viel Geld man hat und es geht um Käuflichkeit", sagt Davies: "Wie könnte man unsere heutige Gesellschaft treffender beschreiben?" Dabei rahmt er seinen Film mit zwei historischen Daten ein: "New York 1905" steht am Anfang, wie die letzte Aussage eines Autors zu seinem fertiggestellten Buch beschließt die Angabe "New York 1907" das menschliche Drama. Zwischen diesen beiden Daten erlebt der Zuschauer die (Verfalls-)Geschichte der schönen, aber nicht ausreichend vermögenden Lily Bart.

Davies verfilmt den Roman "The House of Mirth" von Edith Wharton, die er zu Recht als amerikanische - indiskretere und gewaltsamere - Schwester von Jane Austin beschreibt. Davies adaptiert den versteckt sarkastischen Ton Whartons nicht für die unnatürliche Farbenpracht und den ironischen Monolog unserer Zeit. Wer sich an sein fulminantes Debüt "Distant Voices, Still Lifes" erinnert, wird verstehen, warum sich Davies für dieses Buch interessieren musste, und auch, warum gerade er die Fähigkeit mitbringt, den Stoff dieses Romans zu entfalten.

Mit "Haus Bellomont" muss Davies keine Vergangenheit mehr heraufbeschwören: er begibt sich in ihre Mitte, und inszeniert sie so selbstverständlich, so elegant und zurückhaltend, dass der Zuschauer nicht mehr die Entfernung der Zeit ermessen kann. Die Erzählung entwickelt sich linear: an Lily Bart (Gillian Anderson) kann Davies die Gefangennahme eines moralisch integren Menschen von einer Gesellschaft, die gnadenlos ihre Gesetze durchsetzt, in seinen einzelnen Stadien beobachten. Lily Bart - wie Gillian Anderson sie verkörpert - ist zur selben Zeit freizügig und moralisch, vom Ekel ihrer Erkenntnis über die Regeln des Heiratsmarktes in der High Society oder von Hingabe an den minder reichen Anwalt Lawrence Selden (Eric Stoltz) erfasst. Sie trägt eine dunkle Sehnsucht in sich, nach Hingabe und Verausgabung. Diese wird sich erfüllen - aber nicht im Glück. In langen Fahrten, manchmal mit stimmungsvollen Lichtstudien und metaphorischen Zwischenspielen angereichert, dialogbezogen und schauspielorientiert, spricht der Film von den kleinen Handlungen des Verrats, die Lily Bart zuletzt doch in die Knie zwingen. Wenn der Film eine Schwäche hat, dann ist es eine, die dem Roman Whartons eigen ist, und dass sie der Film nicht auflöst, weist ihn als seriöse Literaturverfilmung aus, die selbst einen Konflikt des Buches noch angemessen repräsentieren kann. Die literarische Figur Lily Bart ist zwischen Liebe und Moral dergestalt gefangen, dass sie, wenn sie ersterem nachgibt, zweiteres verkörpert. An ihr zeigt sie die korrupte Gesellschaft, die sie umgibt, aber gerade die Reinheit Lily Barts schreibt ihre Liebesgeschichte als moralisches Traktat und nicht als Verhängnis der Leidenschaft.

Großbritannien 2000 - Produktion: Three River - Produzent: Olivia Stewart - Verleih: polyfilm - Länge: 135 min. - Regie: Terence Davies - Buch: Terence Davies, nach dem Roman von Edith Wharton - Kamera: Remi Adefarasin - Schnitt: Michael Parker - Musik: Adrian Johnston - Darsteller: Gillian Anderson, Eric Stoltz, Dan Aykroyd, Laura Linney, Elizabeth McGovern, Anthony LaPaglia - BBWK: nicht eingereicht - Prädikat: noch offen

Tipp

Die vollständigen Kritiken aller in Österreich derzeit laufenden Filme können Sie im Internet abrufen unter: www.filmschau.at

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