Road Movie vom Feinsten

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JESUS' SON - Jesus' Son

Alisons MacLeans Verfilmung von Denis Johnsons Sammlung von Kurzgeschichten kann als kongeniale Umsetzung gelten: die brillante Sprache und die präzis ausgeleuchtete Stimmungslandschaft der bizarren und rauschgesättigten Skizzen Johnsons hat sie in Bilder ebenbürtiger Wirkungskraft eingefangen. Der Held von "Jesus' Son", "Fuckhead" genannt, reist durch den Mittleren Westen der 70er Jahre: Drogen und eine Liebe, Jobs und ein Mann mit einem Messer im Auge, Babys von einem totgefahrenen Hasen und ein Drive-In-Kino, das ihm als Friedhof erscheint - Liebe und Glück, Schönheit und divinatorische Erfahrung begegnen ihm an den unwahrscheinlichsten Orten. Das Roadmovie ist auch eine Reise zu sich selbst - und eins der stimmungsvollsten und wärmsten, halluzinatorischsten und menschlichsten seines Genres. Empfehlenswert ab 16 Jahre.

In "Jesus' Son" passieren die unwahrscheinlichsten Dinge. Die Sammlung von Kurzgeschichten, die Denis Johnson 1992 veröffentlicht - und Suhrkamp in deutscher Übersetzung im Zuge des Films als Taschenbuch herausgebracht hat - sind in der Ich-Form eines Bewusstseins gehalten, das das Heroin des öfteren affiziert und unterbrochen hat. Wenn "Fuckhead" - der Name haftet ihm seit einer kaum noch erinnerten Geschichte an - in die Welt geht, so schaut er die absurde Schönheit des Lebens selbst an. Johnson hat eine präzise Sprache für die Zustände des Körpers, der überwältigt werden kann - von der Schönheit, oder von Gott, und vielleicht liegt nur für eine gefährdete Existenz am Rande der Gesellschaft beides so nah beieinander. Alison MacLean hat mit Hilfe ihrer Drehbuchautoren (und Johnson, der selbst Dialogzeilen beigesteuert hat) aus der literarischen Vorlage einen Film gemacht, der es verdient, eine kongeniale Umsetzung genannt zu werden. Angesichts einer Sprache voller Bilder ist dies ein wahrhaft schweres Unterfangen.

Mit wenigen Linearisierungen - einige verstreute Figuren des Buches wurden Charakteren des Films zugeschlagen - hat sie aus den zwölf Momentaufnahmen des Lebens von Outlaws im Mittleren Westen der 70er Jahre zwölf Kapitel einer Reise gebaut - ein Roadmovie, dessen Stationen Lebensabschnitte markieren: phantasmatisch und irreal, traurig und wahr. Die Perspektive von Johnsons Buch, die, weil sie sprachlich ist, über sich selbst hinausgehen kann, hat MacLean erweitert: Ihr "Fuckhead" ist einer der großen Idioten, auf dem Gott seine Hand hat, und schön ist er, in den Zügen von Billy Crudup. In Fuckheads Auto sitzt einmal ein dicker Junge, der taubstumm sein will, und von Fuckhead und seinen Freunde zu einem Haus auf dem Land gefahren werden will, in dem ein Mädchen mit weichen Reizen namens Michelle (Samantha Morton verleiht ihr große Präsenz und einen sicheren Ausdruck) Fuckhead auf der Veranda küsst. Wie er ein Jahr später zur Decke schaut, auf einen ernster gemeinten Kuss von ihr wartend, wie er sich Cornflakes anrührt zum Früstück, während sie ihren Druck vorbereitet: diese von einem anderen als einem weltlichen Glück beschienene Naivität wird Fuckhead nicht verlieren, selbst als er selber Drogen nimmt oder von Übermüdung und Schmerz gepeinigt in der Trommel einer öffentlichen Waschmaschine himmlisches Licht und auf der tätowierten Brust eines Fremden ein dornenumkränztes Herz schaut. Unmerklich fast übertragen sich Fuckheads Zustände auf den Zuschauer: Jede Episode hat ihren eigenen stilistischen Duktus, mit gezielt eingesetzten Flashs und Cut-ups, Überbelichtungen, kreisenden Fahrten oder Handkamera arbeiten sich Alison MacLean und ihr Kameramann in die Grammatik von Erfahrungen hinein.

Michelles Tod und der Bruch einer Entziehung gehen durch Fuckheads Geschichte, selbst staunend über den Geschmack des Verlustes findet man sich mit ihm in einem anderen Leben ein: Wenn Fuckhead am Ende des Films bei sich selbst ankommt, dann geschieht das an einem Ort, den er für nicht möglich gehalten hat. Die Unwahrscheinlichkeiten von "Jesus' Son" sind Geschenke, in den komischsten und bizarrsten Papieren verpackt.

Kanada/USA 1999 - Produktion: Alliance Atlantis Comm., Blue Sky Studios, Evenstar Prod. - Produzent: Elizabeth Cuthrell, Lydia Dean Pilcher, David Urrutia - Verleih: polyfilm - Länge: 107 min. - Regie: Alison Maclean - Buch: Elizabeth Cuthrell, David Urrutia, Oren Moverman nach den gleichnamigen Short Stories von Denis Johnson - Kamera: Adam Kimmel - Schnitt: Geraldine Peroni, Stuart Levy - Musik: Joe Henry - Darsteller: Billy Crudup, Samantha Morton, Denis Leary, Jack Black, Will Patton, Greg Germann, Holly Hunter, Dennis Hopper, Denis Johnson - BBWK: nicht eingereicht - Prädikat: nicht eingereicht

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