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Ägyptens Geist

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Der Leser wird in seiner Bezie- hung zu diesem Buch drei Phasen durchlaufen: Vom Erstaunen wird er zum Respekt vor der Leistung des Dichters und schließlich zur Meditation geführt werden, die ihn Stufe um Stufe in die Tiefe des alt- ägyptischen Weltbilds führt. Welt- bild im eigentlichen Wortsinn, denn es handelt sich nicht um ein ausge- tüfteltes Begriffssystem, sondern um dynamische Bilder, wo sich das Diesseits im Jenseits und das Jen- seits im Diesseits spiegelt, weshalb Alois Vogel seinem Buch ein Al- bert-Camus-Zitat voranstellt: Wis- sen und Imagination sind auch heu- te ununterscheidbar. Also leben wir in aktueller Nachbarschaft zu ver- gangenen Jahrtausenden. Zu die- ser schöpferischen Begegnung mit Altägypten - Alois Vogel nennt sie „ Nachdichtungen ägyptischer Fres- ken" - war der Dichter seit Jahr- zehnten durch seinen Lebensstil be- wußt oder unbewußt vorbereitet. Fernab allen Modernitäts- und Konsumgetümmels suchte er nach den Qualitäten des Lebens, die sich nicht nur von Maß und Zahl unan- gefochten zu behaupten vermögen, sondern den Kern unserer Existenz ausmachen. So konnte die außer- ordentliche Lebendigkeit dieser „Nachdichtung" gelingen. Das der- zeitige Leben der Nilbauern spie- gelt sich in den Fresken der Grab- kammern. Kehren wir aus ihnen in den Bauernalltag zurück, so ist uns, als seien die vielen Beschwörungen an den Grabwänden erhört wor- den, denn das Leben geht unverän- dert weiter: „Großes Laken / unse- rer Wünsche / Am festen Mast des Bootes / treibst du uns / gegen die Strömung."

IM ZEITSTAUB. Nachdichtungen altägypti- scher Fresken. Von Alois Vogel. Verlag G. Grast. Baden/Wien 1990.64 Seiten, öS 150,-.

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