6898063-1980_18_07.jpg
Digital In Arbeit

Afghanische Geschichte aus Südmähren

Werbung
Werbung
Werbung

Noch vor vierzehn Tagen bereitete sich Josef Novak, ein Traktorist und Mechaniker aus dem südmährischen Dorf Nemanice, auf die Fußballsaison vor. Josef war nicht nur Mittelstürmer der Kolchosmannschaft „Produktivität und Fortschritt”, sondern auch der Trainer, Coach und Vorsitzende des Klubs, der in die dritte Klasse der Bezirksmeisterschaft der Kolchosfußballklubs aufgestiegen war.

Im Januar dieses Jahres geschah jedoch etwas, was das sonst ruhige Leben des Traktoristen und örtlichen Fußballexperten in Nemanice entgleisen ließ: Josef Novak verfaßte eine Resolution gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan und ließ sie von allen Mitgliedern des örtlichen Fußballklubs unterschreiben. Das Schriftstück, mit 34 Unterschriften versehen, schickte er an den örtlichen Ausschuß der kommunistischen Partei ab. Zunächst geschah nichts.

Erst vor einem Monat wurde Josef Novak zur Polizei in die Kreisstadt vorgeladen, und man drohte dem begeisterten Fußballer mit Gefängnis und Repressionen gegen seine Familie. Da aber im Kolchos gerade die Frühlingsarbeiten anliefen und Josef Novak nicht nur vom Fußball, sondern der einzige im Dorf war, der auch von Traktoren etwas verstand - sie reparieren und zusammenflicken konnte -, hatten es sich die Genossen von der Polizei anders überlegen müssen.

Hätte man Josef eingesperrt, wäre damit in den Augen der stets wachsamen Partei und der Polizei zwar seine prowestliche und antisowjetische Einstellung gesühnt, aber im Dorf hätte man ohne Novaks Hilfe nicht rechtzeitig die Frühlingsarbeiten auf den Feldern durchführen können.

Die Organisation der kommunistischen Partei im Dorf Nemanice erwog auch die Möglichkeit, die ganze Fußballmannschaft „Produktivität und Fortschritt” wegen ihrer antisowjetischen und kontrarevolutionären Einstellung aus der dritten Klasse der Bezirksmeisterschaft auszuschließen. Aber auch diese Bestrafung kam nicht in Frage. Der örtliche Ausschuß der KP hätte damit seinen Beschluß über die „stürmische Entwicklung des Sportes im Dorf selbst zunichte gemacht.

Lange, sehr lange grübelten die Genossen nach, wie man den Traktoristen, Mechaniker und Fußballer Josef Novak für seine antisowjetische Einstellung bestrafen sollte.

Erst vor vierzehn Tagen wurde das Problem des politisch untragbaren, aber auf dem Gebiet der landwirtschaftlichen Produktion unentbehrlichen Traktoristen und Mechanikers gelöst. Direkt aus Prag, vom Zentralausschuß der sozialistischen Sportverbände der CSSR, Sektion Fußball, bekam Josef Novak einen eingeschriebenen Brief, vom Genossen Vorsitzenden selbst unterschrieben, 1n dem stand:

„Wegen Ihrer antisozialistischen Einstellung schließen wir Sie aus dem Verband der sozialistischen Sportler aus, verbieten Ihnen Fußball zu spielen, die Kolchosmannschaft Produktivität und Fortschritt' zu trainieren und zu führen. Weiter ist es Ihnen ab sofort verboten, jedwede sportliche Veranstaltung auf dem Gebiet der CSSR zu besuchen, sowie sich in jeder anderen Sportart zu betätigen.”

„In der Parteizeitung las ich”, schrieb Josef Novak in seinem Protest gegen diesen Beschluß, „daß Politik und Sport nichts Gemeinsames haben und daß diese Verflechtung nur fürs kapitalistische Ausland gilt. Ich habe gegen den Einmarsch sowjetischer Truppen in Afghanistan nicht als Sportler, sondern als Bürger protestiert.”

Als Antwort auf seinen Protest bekam Josef Novak vom Parteivorsitzenden in Nemanice den Ratschlag, „die Schnauze zu halten, Traktoren zu fahren und zu reparieren. Mit Fußball und Sport ist es ein für alle Male aus.”

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung