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Alle Jahre nieder…

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7 Uhr früh, Finanzamt Wien - Vordere Zollamtstraße. Mehr als hundert Leute sind bereits angestellt. Ich reihe mich in die Schlange der geduldig Wartenden ein. Keiner murrt. Schicksal! Um 7.15 Uhr sind es bereits um 50 Personen mehr.

Mein Nachbar meint: ,Jst das wirklich nicht besser zu organisieren? Was sag’ ich meinem Chef? Der glaubt mir die fünf Stunden doch nicht!"

Eine Frau: .JDeshalb hab ich heute Urlaub genommen

— sonst hat er einen Grund, mich zu kündigen."

Ein anderer: „Wie in Polen

— die lange Schlange. Die sollen sich was einfallen lassen!” Wer die? ,J)ie Amtsvorsteher natürlich!"

Jedes Jahr im Jänner und Februar ist es dasselbe Lied: Eintragung in die Lohnsteuerkarte: Abschreibungen, Sonderausgaben, Werbungskosten …

Man muß entsetzlich lang warten. Warten lassen ist ja eine Methode, Menschen mürbe zu machen, Herrschaft spüren zu lassen: ihre Stellung als Untertanen. Ein sozial interessierter Finanzminister sollte sich etwas einfallen lassen. Das wäre Gesellschaftsveränderung zugunsten der kleinen Leute.

Um 7JO Uhr erhalte ich eine Nummer, 90 Personen sind vor mir. Drei Türen sind für drei Buchstabengruppen vorgesehen, hinter jeder Tür arbeiten vier Beamte — korrekt, freundlich, tadellos. Die Organisation ist nicht ihr Problem. Um 8 Uhr beginnt die Amtshandlung, um elf bin ich fertig.

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