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Alle müssen lernen

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Im Burgenland müssen die Parteien erst lernen; diesen Eindruck gewinnt der unvoreingenommene Beobachter der umstrittenen Reform der Landesverfassung. Wie es scheint, dürfte diesen Lernprozeß besonders die SPÖ notwendig haben.

Alles im irdischen Leben ist verbesserungsbedürftig, auch unsere rechtsstaatliche Ordnung. Nur muß man sich hüten, Verfassungsreformen in ein Gerangel um Machtbehauptung oder Machtgewinn umzu-

funktionieren. Es wäre vermessen zu behaupten, die derzeitige Landesverfassung stimme mit dem Ideal überein. Aber man darf auch nicht die mit den Stimmen der SPÖ und FPÖ vor zwei Jahren beschlossene Landtagswahlordnung als optimale Lösung ansehen. Vielleicht wird der Spruch des Verfassungsgerichtes wieder die Einsicht wecken, daß man bei Verfassungsänderungen behutsam ans Werk gehen muß. Auf keinen Fall darf man sich Angst einjagen lassen, man könnte als Mehrheitspartei die nächste Wahl verlieren. Diese - unbegründete -Angst hatte die SP vor den Landtagswahlen erfaßt.

Die ÖVP muß lernen, Verfassungsgrundsätze als das Ergebnis bestimmter gesellschaftspolitischer Verhältnisse zu betrachten, die verbesserungsfähig sind. Ohne Zweifel ist die Landesverfassung von 1926 unter anderen politischen Verhältnissen entstanden. Daher muß man Verständnis aufbringen, wenn die burgenländische SP ein Interesse daran hat, manche Dinge auf die heutigen machtpolitischen Verhältnisse hin zu ändern. Dagegen ist wohl aber einzuwenden, daß man sich die Reform mit Hilfe der FPÖ billig machen wollte, um ihre Früchte bald politisch genießen zu können. Leider hat man die ganze Angelegenheit fast ausschließlich Juristen überlassen, hat vielfach hinter verschlossenen Türen agiert und dabei parteipolitische oder wahltaktische Überlegungen in den Vordergrund gerückt.

Eine handlungsfähige Regierung ist in einem demokratischen Ordnungsstaat ebenso wichtig wie ein Mindestmaß rechtsstaatlicher Sicherungen gegen Mehrheitsentscheidungen. Diese Notwendigkeit wird uns gerade im Gedenkjahr an 1938 ins Gedächtnis gerufen. Damalsfehlte eine starke demokratisch legitimierte Regierung und eine durchgängig rechtsstaatliche Ordnung. Man sollte auch im Burgenland aus der Geschichte lernen.

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