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Alles Glück auf dieser Erde

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Zu ermitteln, wo nun genau das Glück zu finden sei, war Ziel einer Umfrage. Das Glück, so stellte sich erwartungsgemäß heraus, wird von vielen Leuten an fast ebenso vielen Orten vermutet.

Ein gut Teil der Befragten war sich allerdings darin einig: das Glück dieser Erde liegt auf dem Rücken der Pferde. Diese, die Pferde, waren selbstverständlich nicht nach ihrer Ansicht gefragt worden.

Herr S. hat ein neues Pferd. Mit neuen Pferden gibt es manchmal Schwierigkeiten. Herr S. hat mit seinem neuen Pferd Schwierigkeiten.

Sonntag mittag kommt Herr S. derangiert und etwas erregt, aber sichtlich glücklich, aus dem Reitstall nach Hause: die Brille verloren, die Reithose zerrissen, das rechte Knie geschwollen. Herr S., noch in der Tür, aufgeregt, aber glücklich: Helga, stell dir vor, heute hat mich Windsor sogar schon getreten! ... Ich glaube, allmählich akzeptiert er mich.

Statt Ihr Übergewicht zu bejammern, sollten Sie etwas dagegen unternehmen; seien Sie aktiv, treiben Sie Sport! Frau B. hat die Worte ihres Arztes noch im Ohr. Frau B. ist einsichtig, Frau B. will „was tun" gegen die Pfunde. Sie beschließt also, aktiv zu werden, Sport zu treiben. Mit das Schickste, was es an Sport so gibt, scheint Frau B. das Reiten, der „Umgang mit dem Pferd als solchem". Frau B. ergibt sich folgerichtig der Reiterei.

Und Reiten muß wirklich anstrengend sein. Der Appetit, der Frau B. nach jeder Reitstunde quält und den sie gleich nach dem Reiten im geschmackvoll eingerichteten Reiterstü-berl befriedigt, beweist es.

Nach einem halben Jahr fleißigen Reitens zieht Frau B. rücksichtslos Bilanz. Insgesamt abgenommen: 23 Pfund. Davon allein das Pferd: 28 Pfund. Fünf Pfund hat Frau B. (durch übermäßigen Appetit nach dem Reiten und durch „Erholung" im Reiter-stüberl) zugenommen.

Herr F. ist stolzer Besitzer eines eigenen Pferdes. Herr F. reitet. Überhaupt und aus Passion. Wenn er keine Zeit dazu hat - und das kommt oft vor - läßt Herr F. reiten. Seit Herr F. reitet, oder, wie er selbst es gerne formuliert: seit er zur Reiterei gestoßen ist, umgibt er sich mit reiterlichem Status-Zubehör.

Manschettenknöpfe in Hufeisenform (echt Gold), eine ganz entzük-kende kleine Reitgerte als Krawattennadel (auch echt Gold) und eine sündteure Designerreituhr mit steigbügel-und trensenartigem Armband werden ergänzt durch einen Reiter-Gürtel (echt Kroko) mit Hufeisenschnalle. Der Anhänger seiner Wagenschlüssel besteht selbstverständlich aus einem todschicken kleinen Hufeisen (echt Silber) und ebenso selbstverständlich ziert ein verchromtes Hufeisen in natürlicher Größe (echt teuer) die Kühlermaske seines Autos. Auf dessen Heckscheibe ein Pferdeaufkleber (echt Plastikfolie; dynamischer Hengstkopf im Halbprofil glubscht durch Hufeisen) prangt.

Daheim bei Herrn F. in der Diele hängt über einem in ein altes Kummet gearbeiteten Spiegel eine Hutablage aus zusammengeschweißten schwarz lackierten Hufeisen (echt abg'eritten) und im Wohnzimmer hängen kolorierte Pferdestiche. Englische (fast echt).

Dieser Herr F. betritt gerade bestens gelaunt in schicker Reithose und blank gewienerten Stiefeln das Rei-terstüberl seines Vereins und bestellt eine Lage. Mit dem Reiten aus Passion wird es heute wieder nichts. Seinem Pferd fehlt seit einer Woche am linken Hinterbein das Hufeisen.

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