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Allzumenschliches

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„Debunking" nennen die Amerikaner das, was Karl-Wilhelm Weeber mit den Olympischen Spielen der Antike macht: er will ihnen den Nimbus nehmen, sie „entmythologisieren" und uns aufklären, daß unser Olympiabild zu idealistisch, beschönigend und eine Rückprojektion eigener Ideale sei.

Weebers eigenes Olympiabild ist wenig schmeichelnd: die Olympioniken seien Profis, nicht Amateure gewesen, die Spiele durch Geld- und Ruhmsucht, durch Konkurrenzdenken, Egoismus, Skandale, unsauberes Wettkampfverhalten, Brutalität und eine skrupellose Erfolgsethik gekennzeichnet gewesen. Sie hätten schon lange vor der angeblichen Verfallsperiode ab dem 4. Jahrhundert nichts Völkerverständigendes und nie eine „Fair-play-Ideologie" (wieso eigentlich Ideologie?) besessen.

Das Ergebnis dieses „debunking" läßt sich auf eine schlichte anthropologische Aussage reduzieren: auch die klassischen Griechen waren keine Heiligen, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, die sich wie Barbaren an Grausamkeiten ergötzen konnten und wie heutige Sportler oft gegen Normen und Wettkampfregeln verstießen. Von dieser allzumenschlichen Differenz zwischen ethischem Anspruch und unmoralischer Wirklichkeit waren die Spiele gekennzeichnet.

Im Sinne Rankes möchte der Autor zeigen, „wie es wirklich gewesen" sei. Es bl eibe dahingestellt, ob ihm die historische Wirklichkeit tatsächlich so direkt zugänglich ist, wie Weeber zu glauben scheint.

DIE UNHEILIGEN SPIELE. Das antike Olympia zwischen Legende und Wirklichkeit. Von Karl-Wilhelm Weeber. Artemis Verlag, Zürich/München 1991. 220 Seiten, öS 310,40.

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