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Alptraum

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Der Wesensgehalt von Franz Grillparzers „Der Traum ein Le- ben" wurzelt so tief in der österrei- chischen Veranlagung, daß man ihn nach eineinhalb Jahrhunderten in einem durchaus modernen Buch wiederfinden kann, in dem stili- stisch betrachtet zweifellos auch Anklänge an Heimito von Doderer, Alfred Kubin, Jörg Mauthe und Franz Kafka nachweisbar sein mö- gen: Also ein durch und durch öster- reichisches Buch.

Aus Rusfan, dem verhinderten Tatmenschen und Helden Grillpar- zers, wird bei Helmut Pfandler ein Amtsrat Zwipp. Den Dämon Zanga des Ehrgeizes und der schlauen In- trige personifiziert Herr Freuden- schuß. Grillparzers Traumwelt des Unterbewußtseins betritt Amtsrat Zwipp durch den Kohlenkeller. Von dort aus gerät er in die Katakom- benwelt der „unteren Zehntau- send", „wo der Mensch mit der An- zahl der Freunde wächst", also mit dem System nützlicher Wechselbe- ziehungen. Am gemeinsamen ver- brecherischen Tun, am Amtsmiß- brauch fehlt es nicht, wobei man den Amtsrat mit dem Aufstieg zum Sektionschef lockt. Sogar Mirza ist da, ein blindes Mädchen, das mehr sieht als die anderen. Zum Schluß stellt sich aber wie bei Grillparzer heraus, daß alles nicht wahr und wirklich ist. Nachdem die Kata- komben ihren satirisch-pädagogi- schen Beitrag geleistet haben, ist der Zugang nicht mehr auffindbar. Freilich ein Happy-end ist uns nicht gegönnt. Das Mädchen ist zu kost- bar, als daß es dem verblendbaren Amtsrat gebühren würde.

Wie sich das Gesellschaftskriti- sche mit dem persönlich Emotiona- len, das Sarkastische mit dem Weh- mütigen verbindet, all das erneuert die Stimmungswerte unserer gro- ßen Traditionen.

DI E KATAKOM BE. Oder Amtsrat Zwipp lernt fliegen und abstürzen. Von Helmut Pfandler. Weilburg Verlag, Wiener Neustadt 1990. 142

Seiten, öS 198,-.

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