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Alte Oper macht frischen Wind

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Der Wiener Kammeroper ist ein Wurf geglückt: Die Aufführung des heroisch-komischen Dramma per mu-sica „II Re Teodoro in Venezia“, eines bisher völlig verkannten Meisterstücks des Librettisten Giambattista Casti mit der Musik Giovanni Pergole-sis, ist eine sensationelle Ausgrabung. Und die Aufführung ist obendrein von frischem Wind durchweht. Was dem Unternehmen guttut und zeigt, daß es im kleinen Haus am Fleischmarkt auch ganz anders geht

Dieser „Re Teodoro“ ist, schon ein erstaunliches Stück Oper (1784 wurde sie im Burgtheater uraufgeführt): Brillante Ensembles, virtuose kleine Arien, eine Menge Originalität, die jedenfalls - wie Alfred Einstein behauptet und wie man es jetzt nachprüfen kann - Meistern wie Mozart und Da Ponte erst „den Mut gab, zu Beaumarchais zu greifen ... wegen eines neuen Sujets“. Denn dieser „Re Teodoro“ ist der erste Versuch, im 18. Jahrhundert „Zeitgemäßes“, in diesem Fall eine launige Schwindlerkomödie, der es nicht an gesellschaftskritischen Momenten mangelt, auf dieBühne zu bringen. Ein Betrüger, der „hochherzige allberühmte Theodor Neuhoff, westfälischer Baron und König aller Korsen“, führt die plump-eitle, moralisch verkommene, sich fadisierende Gesellschaft Venedigs des Jahres 1741 solange an der Nase herum, bis die Republik ihm alle Schulden erlassen und Gaunereien nachsehen will... Unter der Bedingung, daß er als „Fremdenverkehrsattraktion“ in der Lagunenstadt bleibt. Doch da reicht's selbst dem Gauner...

Mozart und Da Ponte haben sich aber nicht nur dadurch zu „Figaro“ ermutigen lassen. Es finden sich auch viele musikalische Details, die eindeutig Mozarts Kenntnis dieser leicht und schwungvoll hingeworfenen Partitur erkennen lassen. Von Figaros „Ach, öffnet Eure Augen“, das sich notenidentisch im „Teodoro“ findet, bis zum fugierten „Don-Giovanni“-Schluß, zur Registerarie und vielen anderen Ensembledetails. Ein Glück also, daß nicht bloß musikhistorisches Interesse zur Triebkraft werden mußte. Das Werk selbst hat Kraft, Substanz, Witz. Vor allem die Zentralfigur selbst ist erstaunlich farbig gestaltet.

Auch die Aufführung selbst bringt Farbe und neues Leben in den Kammeroper-Betrieb: Heinz Ehrenfreund, früher Burg- und Josefstadt-Schauspieler, jetzt als Operettentenor der Volksoper ein Publikumsliebling, zeigt erstaunliches Talent. Es ist seine erste Opernregie. Sie hat große Vorbilder: Strehler und Rennert etwa. Aber sie ist ein Volltreffer. Optisch reizvoll die Figurengruppierungen, klar und ohne Mätzchen die Charakterisierungen. Und obwohl dieses zum Teil junge, unerfahrene Ensemble seinen Einfällen und kleinen Tricks nicht immer ganz zu folgen imstande ist, hat er sie alle zu hervorragenden Leistungen angespornt. So viel, so intensiv (und doch ohne dummen Klamauk), so behutsam und witzig ist an der Kammeroper seit Jahren nicht mehr gespielt worden. Und vor allem auch mit soviel Einfühlung in die arg beengte Bühne. Daß Opernregie für Ehrenfreund in Hinkunft mehr bedeuten wird als bloß „eine Aufgabe zwischendurch“, ist also sehr zu hoffen. Das sparsame, streng funktionelle Bühnenbild baute Gerhard Janda.

Die Besetzung ist stimmlich bunt gemischt, aber sehr bemüht Wolfgang Schellenberg als Teodoro ein bißchen schwerfällig. Bruno Fabisch, Raeschelle Potter, Karl Dumphart, Amanda Benda, Hans-Günther Müller, Raymond Anderhuber bemühen sich, präsent zu sein und dem Drive des Dirigenten Jacques Pernoo zu folgen. Einen jungen Sänger halte ich für sehr begabt: Josef Oberauer als kauzig-komischer Diener. Eine hübsche, schlanke Mozart-Stimme, mit der er seinen Weg machen könnte.

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