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„Am” Wesen der deutschen Sprache

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Der Unterschied zwischen den beiden Formen „am” und „auf dem” wird in der Umgangssprache, aber auch in Presse und Funk, viel zu wenig beachtet. , Am” (Zusammensetzung der Präposition an mit dem Artikel dem) wird zum Beispiel räumlich gebraucht: „Die Herren sitzen am Tische” - dagegen: „Das Buch liegt auf dem Tische”.

Hierzu einige Beispiele aus der letzten Zeit: Da heißt es etwa im Zusammenhang mit der Debatte über die Arbeitsplätze bei den Steyr-Werken: „... wenn der Vertrag am Tisch liegt'' (ORF 2,28.4.1993). In einer Sendung (Oberösterreich heute, 12.5.1993)hörtman vom „Ruderrennen am Wolfgangsee”. Dieses Rennen findet also nicht auf dem Wasser, sondern am Rande des Wassers, am Ufer statt, wo die Zuschauer stehen. Im Zusammenhang mit den Debatten um Bischof Krenn liest man im Magazin „News” (1.7.1993) von den „Kundgebungen am Domplatz” in St. Pölten. Die vielen Demonstranten können sich doch nur auf dem Domplatz versammeln, denn am Domplatz stehen lediglich die umgebenden Häuser.

Im sportlichen Bereich gibt es dieselben Verwechslungen: „Der Tormann war der beste Mann am Feld” (Oberösterreich heute, 21.6.93). Der Tormann befindet sich zweifellos auf dem Spielfeld, nicht wie die Fans im Zuschauerraum. Das Wortspiel „am Ball sein” wird bei Berichten über Wettspiele häufig gebraucht, zum Beispiel bei der Überlegenheit eines Vereins über den Gegner: Zu Beginn war

Rapid mehr am Ball. Auch von einem Einzelspieler kann dies gesagt werden: Jetzt ist Andreas Herzog am Ball. Da muß man lächeln, wenn in ganz anderem Zusammenhang in der Zeitung liest: „Auch der Bundeskanzler war am Ball” (gemeint ist seine Anwesenheit auf dem Opernball).

Auf dem oder am Weg?

Ähnliche Verwechslungen ergeben sich bei Redewendungen wie „auf dem Weg” beziehungsweise „am Weg”. Wer einem Ziele zustrebt ist auf dem Wege dahin. Dabei sieht er vielleicht manches, das am Wege seiner Strecke liegt. Unrichtig ist die Überschrift: , JFrauen am Weg zum Chef sessel” (Kurier, 14.6.1992). Diese Frauen können nur auf dem Wege ihr Ziel erreichen.

Gleichermaßen verhält es sich mit dem bildlichen Ausdruck „auf dem Spiel stehen”. Es stört daher, wenn man im ORF 2 (21. 5. 93) hört: „Das Image steht am Spiel”. - Gelegentlich kann es zu peinlichen Verwechslungen kommen: So sagte eine Fernsehsprecherin (im einstigen „Österreich-Bild”) bei der Meldung über einen Verkehrsunfall: „Der Verletzte starb am Transport ins Krankenhaus”. Das hieße ja, der Verletzte sei nicht an seiner Verletzung, sondern an den Strapazen des Transportes gestorben.

Umgangssprachliche Abweichungen lassen sich auch in der Dichtung feststellen, dafür ist Heimito von Do-derer ein Beispiel, das sogar das sechsbändige Große Duden-Wörterbuch vermerkt. In seinem Roman „Die Wasserfälle von Slunj” (1963) findet sich der Satz: „Clayton lag am monströs geschwungenen mächtigen Diwan”.

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