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„Arge Benachteiligung“

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Kürzlich ging in einem kleinen Landkrankenhaus eine Ordensschwester „in Pension“. Sie war 81 und wurde mit drei noch etwas „jüngeren“ Schwestern ins Mutterhaus abgezogen, von wo die drei etwas weniger alten wieder in ein anderes Arbeitsgebiet entsendet wurden.

Im großen und ganzen ist der Rückzug der katholischen Pflegeorden aus den österreichischen Spitälern abgeschlossen. Auch unter dem Risiko einer äußersten Ausnützung der noch vorhandenen Ordensfrauen gelingt es nicht mehr, Werkverträge zu halten. Wo sie noch aufrecht sind, kann es nur mit extrem überalteten Kräften geschehen. In der Heilstätte Grimmenstein zum Beispiel, wo früher 40 Schwestern eingesetzt

waren, stehen derzeit noch 16 im Dienst, davon sind nur drei unter 50 Jahre alt, dafür 13 zwischen 65 und 80.

Lediglich vereinzelt, wie etwa in Oberösterreich, können durch rechtzeitige und kluge Kooperation mit der „Welt“ die ordenseigenen Spitäler gehalten werden. Sie bieten einen zeitgemäßen medizinisch-pflegerischen und apparativen Standard und erfreuen sich wegen ihrer guten Wirtschaftsführung der Wertschätzung der öffentlichen Hand.

Viel, viel zu spät haben die Verantwortlichen der Pflegeorden und die sie beratenden geistlichen Herren erkannt, daß es auf Grund der gesellschaftspolitischen und wirtschaftlichen Umwandlungen nicht mehr

möglich ist, die Ordensschwestern nur um Gottes Lohn an öffentliche Rechtsträger zu vermieten. Nur für einen relativ kurzen Zeitraum konnte durch Verbrauch der eigenen Substanz ein Ausgleich aufrecht erhalten werden. Sehr bald hatte sich die Problematik zu einem handfesten Dilemma ausgewachsen und die Nachwuchskrise mitverursacht.

Die im ASVG enthaltene Bestimmung, daß Angehörige von Orden nur dann an der allgemeinen Sozialversicherung partizipieren können, wenn sie im Dienstverhältnis zu einem Dienstgeber stehen, der kein Orden ist, hat nach wie vor ihre Gültigkeit. So brennend die Ordensschwestern selbst eine Änderung dieser Ausnahmebestimmung wün-

schen — damit sie eben nicht mehr bis dm ihr 82. Lebensjahr hinein Tag-und Nachtdienst am Krankenbett machen müssen, und noch Zeit und Kraft haben, wenigstens in bescheidenem Ausmaß ein geistliches Leben führen zu können — so wenig enthusiastisch wurden seinerzeit die Verhandlungen mit den Kassen geführt und man ließ sie ohne große Bedenken wieder im Sand verlaufen.

Wenig erfolgversprechend verlief vor einigen Monaten der Vorstoß beim Spitalerhalterverband, wo die Orden plötzlich durch die Forderung nach völliger finanzieller Gleichstellung mit dem weltlichen Pflegepersonal bei Beibehaltung der bisherigen Beneflzien auf wenig Verständnis gestoßen sind. Man empfand diese Forderung als radikal, weil die Gruppe viel zu lange zu konservativ war, um plötzlich links überholen zu können. Vielleicht wäre es günstiger, das relativ offene Ohr der Sozialver-sicherungsträger allgemeiner und

privater Art zu nützen und nach Prioritäten eher auf eine Alters- als auf eine Krankenversorgung hinzuarbeiten.

Die Problematik der fehlenden Sozialversicherung der Pflegeorden ist politisch nicht besonders opportun, sie wird daher durch Politiker keine Unterstützung finden. Die Orden müßten sich zum Durchboxen dieses Anliegens der Hilfe der Kirche versichern, und die Kirche hatte doch wenigstens bis zur Entscheidung über die Fristenlösung ein ausgezeichnetes Verhältnis zur Regierung — die Regierungspartei wieder überschrieb beim letzten Parteitag ihr Programm auch mit „Wohlstand für alle“. Kann sie es auf Grund ihrer humanitären Einstellung dulden, daß innerhalb unserer so perfekten sozialen Welt ein so schwerer Defekt weiter besteht?

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