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Aufs Tapet bringen

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Sonntag nachmittags, Jause bei Wondrascheks. Im großen Zimmer versammelt: mehrere Generationen Eltern und Kinder, Onkel und Tanten bis in die Nebenseitenlinien, Spielzeug, Haustiere, Blumen, teils ortsfest, teils mobil, mehrere gedeckte Tische.

Verena-Franziska, genannt Franzi, zupft ihre Mutter, die Gastgeberin, am Seidenkleid: „Mutti, Mutti kannst du mir helfen?”

„Aber gerne, Franzilein, wobei denn?”

„Ich habe die Hausaufgabe in Deutsch noch nicht fertig.”

„Ja, aber jetzt ist doch wirklich nicht-”

„Ich habe auch schon bei Dorli und Peter angerufen. Die haben die Aufgabe auch noch nicht.”

„Na siehst du, dann brauchst du doch auch nicht —”

„Aber es ist ganz wichtig! Am Montag haben wir Deutsch gleich in der ersten Stunde —”

„Na, gut. Worum geht es denn?”

„Wir sollen eine Seite zum Thema schreiben: ,Was bedeutet und woher stammt die Redewendung: Etwas aufs Tapet, bringen'?”

„Also, ich muß jetzt unbedingt in die Küche, Franzilein. Hier sind ja so viele gescheite Leute. Onkel Eduard, hilf doch du der Franzi, sei so lieb!”

„Gerne, das ist ja auch ganz einfach. Nur da liegt offensichtlich ein Hörfehler vor. Die Redewendung heißt nicht .Irgend etwas aufs Tapet bringen', sondern .Jemand aufs Trapez zwingen'. Das bedeutet .Jemandem eine ganz schwindelhafte Aufgabe stellen'. Der Ausdruck stammt aus der Welt des Zirkus!”

„Entschuldige vielmals, lieber Schwager, aber hier scheint mir doch eine Verwechslung vorzuliegen. Die Redewendung heißt nicht .Jemand aufs Trapez zwingen', sondern .Etwas auf ,die Tapete bringen'. Das bedeutet, da bin ich ganz sicher, so viel wie .Ein Thema ganz lang und flach auswalzen' und stammt aus dem Jargon der Maler- und Anstreicherzunft zu Siena, späte Renaissance.”

„So sicher wäre ich da nicht, lieber Vetter Heribert, denn die Redewendung heißt ganz sicher nicht .Etwas auf die Tapete bringen', sondern .Jemandem eines aufs Toupet geben'. Hierfür gibt es zwei Erklärungen. Zum einen bedeutet das soviel wie .Einen über den Haarkamm halbieren' und das stammt aus der Fachsprache der Friseure, und zum anderen beschreibt es den Sachverhalt einer mutwilligen Körperverletzung, nicht selten mit bösen Folgen. Es ist unsicher, ob dieser Ausdruck aus der Polizei- oder aus der Ganovensprache stammt.”

„Das ist ja alles sehr originell, aber du siehst offensichtlich zu viele Krimis und Werbespots im Fernsehen. Liebe Cousine Mathilde, du hast doch auch einmal mit Erfolg Französisch gelernt. Da wirst du dich noch an die richtige Form dieser Redewendung, die mit den Hugenotten zunächst nach Berlin eingeführt und von dort nach Erlangen überführt wurde, erinnern. Sie lautet natürlich .Jemanden in ein Tableau bringen' und bedeutet, jemanden ins richtige Licht, besser ins rechte Bild, tableau, setzen. So einfach ist das.”

„Ich habe zwar nicht studiert, wie die Mehrzahl meiner lieben

Verwandten, aber in der Sprache, da kenn' ich mich als Journalist offensichtlich doch besser aus. Es ist eben nicht immer alles so einfach. Die Wendung kommt nämlich gar nicht aus dem Französischen, sondern aus dem Arabischen und heißt korrekt: .Etwas aus der Trompete — heraus — bringen'. Es handelt sich hier um einen Ausdruck der maurischen Militärmusik. Der wurde das erstemal von christlichen Raubrittern in der Schlacht von Granada gehört. Heute bedeutet es soviel wie: .Mit großer Anstrengung laute' Töne von sich geben' und wird hauptsächlich in der politischen Berichterstattung verwendet.”

„Nichts für ungut, Freund Till, Journalisten mögen ja ganz kreative Burschen sein, aber was du da erzählst, gehört ja wohl eher in die Regenbogenpresse oder in kleinformatige Boulevardzeitungen. Franzilein, laß dich nicht verwirren. Die Redewendung entstammt dem Vokabular von Ärzten, Apothekern und Masseuren, wie es sich im frühen Mittelalter in den Badehäusern zu Regensburg herausgebildet hat. Es heißt korrekt .Jemand irgend etwa s in einer Tablette bringen' und bedeutet den Versuch, jemanden etwas ohne sein besseres Wissen hinunterschlucken zu lassen. Ob zur Heilung oder zum Schaden, das bleibt dahingestellt.”

„Ihr mit eurem akademischen Getue. Ich als einfacher Kaufmann werde euch hier die richtige Antwort geben. Es heißt korrekt .Sich selbst ins Debet bringen', und das heißt nichts anderes als .Schulden machen'. Und Schluß jetzt mit dem Gequatsche!”

„Aber, Herr Kommerzialrat!” fiel man reihenweise über den massigen und erbosten Endvierziger her. Bevor es zu ernsten Auseinandersetzungen kommen konnte, erhob sich weißhaarig und würdevoll Oma Wondra-schek und löste den unentwirrbar gewordenen Sprachknoten: „So, ihr Lieben, jetzt gehe ich in die Küche und bringe endlich den Kaffee - aufm Tablett!”

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