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Aus Freude am geschriebenen Wort

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Die Sommerakademie der Schule für Dichtung/Wien fand vom 4. bis 10. Juli in Neuberg an der Mürz in Zusammenarbeit mit der Walter Buchebner-Gesellschaft statt. Der Lehrkörper bestand aus H. C. Artmann, Wolfgang Bauer, Marianne Gruber und Christian Ide Hintze.

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Die Sommerakademie der Schule für Dichtung/Wien fand vom 4. bis 10. Juli in Neuberg an der Mürz in Zusammenarbeit mit der Walter Buchebner-Gesellschaft statt. Der Lehrkörper bestand aus H. C. Artmann, Wolfgang Bauer, Marianne Gruber und Christian Ide Hintze.

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Die Formation des Lehrkörpers, drei Männer - eine Frau verhält sich zu den Studenten reziprok. Etwa 20 Prozent der Teilnehmer sind Männer und 80 Prozent Frauen. Wie sich jedoch bei den Klassenergebnissen herausstellte, sind die Autorinnen keineswegs schlechter als ihre männlichen Kollegen.

Das Thema „Schreibende Frau” wurde schon bei den Eröffnungsreden der Akademie im Kunsthaus Mürzzuschlag angeschnitten. Von Anfang an waren mehr Frauen als Männer am Erlernen des Schreibens interessiert. Haben Frauen noch immer zu wenig Selbstvertrauen?

Die Teilnehmer kamen hauptsächlich aus Österreich, aber auch aus Deutschland und eine Teilnehmerin aus Frankreich. Zwei jungen Rumänen hatte das Bundesministerium für Unterricht und Kunst die Teilnahme an der Sommerakademie mittels eines Stipendiums ermöglicht.

Seitdem das Johannes R. Becher-Institut in Leipzig geschlossen wurde, ist die Schule für Dichtung in Wien die einzige dieser Art im deutschsprachigen Raum.

H. C. Artmann: „Es bleibt immer etwas hängen”

Er brachte immer wieder zum Ausdruck, daß er alles andere als ein Professor sei. „Ich bin Lyriker und Grammatiker, ein alogischer Schreiber. Was man eigentlich nicht beschreiben kann, beschreibe ich alogisch. Die Wurzeln meines Schreibens befinden sich im Surrealismus”.

Zum Sinn einer Schreibschule:

„Diese Seminare bringen sicher was für die Studenten - das ist wie bei einer Verleumdung, es bleibt immer etwas hängen.”

Wolfgang Bauer: von Nutzen wäre ein germanistischer Wauwau

Er kritisierte unter anderem, daß ein Autor, der in einer Zeitung journalistisch tätig ist, schief angeschaut wird. Journalismus sollte sehr wohl als Unterrichtszweig in die Schule für Dichtung aufgenommen werden.

Weiter meint Bauer: „Bei guter Prosa darf die Handlung nicht offensichtlich sein, sondern soll im Hintergrund, kaum erkennbar, nur durchschimmern. Prosa schreiben heißt: Man muß ein Ziel haben, auf das man begeistert zugeht, aber dann ganz woanders ankommt”.

Wünsche: „Eine Dramatikerklasse; ein germanistischer Wauwau wäre von Nutzen”.

Marianne Gruber: Schreiben ein Wert für sich

Das Schöne für sie war: zwölf Autoren. Zwölf ganz verschiedene Texte. „Es gibt viele gute Schreibende, doch letztlich kommt es darauf an, trau ich mich, oder trau ich mich nicht, und hier kann man

Anstöße geben. Auffallend ist, daß sich junge Männer einfach mehr trauen als die jungen Frauen. Abzulehnen ist, wenn junge Leute mit Gewalt modern sein wollen und Experimente machen, so etwas geht schief, das muß auf gutem Boden wachsen, damit es was wird.”

Schreiben sieht sie als einen Wert für sich, der völlig unabhängig davon ist, ob man veröffentlicht oder nicht.

Christian Ide Hintze: legt Wert auf Teamarbeit

Die Klasse Ide Hintze brachte im Mürzzuschlager Kunsthaus eine imposante Aufführung mehrstimmiger choristischer Gedichte und

Lautkompositionen und im akademischen Wirtshaus in Neuberg zeigte er ein interessantes Video über orale Poesie.

Seine Studenten dazu: „Das Schöne in seiner Klasse ist die Teamarbeit, auf die Hintze besonderen Wert legt. . Zu seiner Präsentation als Schuldirektor meinte er:, J bin net da Schuidi-rektor. I moch hoit di Oabeit”. - Damit hat er sicher so manchem Schuldirektor aus der Seele gesprochen. Es gibt leider keine Kaffeehauskultur mehr, wo ein Austausch unter Schreibenden stattfindet. Die Schule für Dichtung kann eine Art Ersatz dafür sein.

Die Freude an der Arbeit, am Austausch mit anderen Schreibenden und die Achtung vor deren Werken war bei allen Lehrenden offensichtlich.

Dichten ist nicht lehrbar, aber man kann Anstöße geben. Die Schule für Dichtung könnte man als ein literarisches Biotop bezeichnen.

Ein Weitermachen in dieser Richtung wäre wünschenswert - wer weiß, welch schöne und interessante Pflanzen noch daraus hervorsprießen.

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