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Ausbrechen aus der Wortnot

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In der Umkehr der Tasso-Stelle „... und wenn der Mensch verstummt in seinerQual, gab mirein Gott, zu sagen, was ich leide ..." gehört es zum Gemeinplatz der modernen Poetolo-gie, daß derjenige zu den Auserwählten gehört, dem es in Anbetracht der Menschheitsmisere die Sprache oder die Red' verschlägt. Inmitten einer mündig gewordenen und heftig plappernden Publizität erscheint dieses poetische Verstummen ebenso natürlich-verständlich wie parodistisch-tragisch.

Mit dieser „verschlagenen Sprache", die oftmals so schmerzhaft und biologisch belastend wirkt wie verschlagene Winde („wortreicher Wind"), muß der moderne Poet zu leben lernen. „Unerlöste Wörter", „der Geist, der sich noch immer verbirgt vor der Sprache", charakterisieren diesen anti-goethischen Zustand, nahem ihn aber zugleich der Mystik in allen ihren religiösen und überkonfessionellen Formen.

Während der sprechhurtige Tasso von allen Seiten rasch und kräftig den Dingen, den Gefühlen und den Ideen auf den Leib rückt, muß der Poet, der an sprachlichem Meteorismus leidet.

die Sprachlosigkeit und dessen Wort-werdung zu seinem Hauptanliegen machen. Somit wird das Dichten zu einem Dichten über das Dichten, ein hermetisch verschlossener Zirkelschluß. Aus solcher „Wortnot der Natur" auszubrechen, ist das Ereignis des Gedichts. Und insofern hat die Verlagswerbung recht, bei Gustav Janus von „Ereignis" zu sprechen.

Um dies zu bewerkstelligen, geht Janus den synästhetischen Weg, vermittelt also eine Schönheit des Zusammenhangs der Sinneswelt als Allegorie auf die Schönheit der Dinge selbst. Zuweilen erfordert es freilich zu hohen Druck, um die Wörter aus der „Wertlosigkeit, dieser Grundwahrheit" heraufzupumpen, so etwa mit der „schwangeren Luft, die voll Unruh bis spät in die Nacht Flöte spielt". Vergessen wir dabei nicht Janus tiefgründig symbolischen Satz: „Dort im Kahlschlag sind Himbeeren reif. Manchmal ist es bereits Marmelade - eingekocht.

MITTEN IM SATZ. Von Gustav Januä. Aus dem Slowenischen von Peter Handke. Residenz Verlag, Salzburg/Wien 1991.113 Seiten, öS 198,-.

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