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Balkan ist überall

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„Manchen Schriftstellern genügt die Wirklichkeit noch nicht, sie erfinden sich eine neue, wobei sie mir vorkommen wie Leute, die sich neben dem Ozean noch einen Schwimmingpool (sie) bauen!“ Joachim Seyppel jedenfalls findet mit der faszinierenden, vielfältigen Wirklichkeit des Balkan sein Auslangen, eine Wirklichkeit, die keine Grenzen kennt: Balkan ist überall.

Die Geschichte des Hofrats Konstantin Hämus, der sich in dem Provinznest Xanthi niederläßt, um antike Mythen zu suchen und an einem Beitrag zur „Theorie des Romans“ zu arbeiten, wird allerdings mit vielen Verfremdungseffekten dargestellt. Mehr und mehr nimmt der Roman skurrile, groteske, absurde, herzmähovsky-örlan-deske Züge an. Vor dem Hintergrund der Auflösung des „Rumeli-schen Reiches“ und der chiffrierten Darstellung der politischen Wirren im Südosteuropa des frühen 20. Jahrhunderts spielen sich die Begegnungen zwischen Hämus und Eurydike, Orpheus (Orf eos), dessen Stiefmutter Euterpe, Theseus in Gestalt eines Kapitäns und anderen ab.

Ein Lesevergnügen bereiten weniger die Rechtschreib- und Druckfehler als vielmehr die zahlreichen Anspielungen des Autors, der etwa die „Vereinigten Bruderarmeen“ des Warschauer Paktes zwecks Niederschlagung der heimtückischen Konterrevolution in die UdSSR einmarschieren läßt. Motto: „Gleiches Recht für alle“.

EURYDIKE ODER DIE GRENZENLOSIGKEIT DES BALKANS. Von Joachim Seyppel. Limes Verlag, Frankfurt a. M./Berlin 1989. 250 Seiten, öS 228,-.

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