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Bayern um 1600

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401 Kinder hätte sie umgebracht — die landstreichende Familie Pappenheim — 85 alte Leute mittels Zauberei aus der Welt geschafft, in 107 Raubmorden Leute auf der einsamen Landstraße grausam zugerichtet, daneben 26 Brände gelegt und 28 Kirchen ausgeraubt!

Kann eine fünfköpfige Familie in knapp zwei Jahrzehnten soviel Unheil anrichten, ohne von der gestrengen Obrigkeit jemals erwischt worden zu sein?

Gerne würde man vom heutigen Standpunkt aus gesehen ein solches Strafregister als absurd hinstellen, vor allem weil die Geständnisse unter grausamster Folter erpreßt wurden. Die beteiligten Richter waren aber bitterernst bei ihrer Sache.

Der deutsche Rechtshistoriker Kunze bietet ein einmaliges Zeitporträt von Niederbayern im ausgehenden 16. Jahrhundert, minuziös rekonstruiert aus den Akten des Hexenprozesses Pappenheim: geduldig die Schilderung der Uberlebenskünste des herumziehenden Bettelvolkes in den Niederungen des Landlebens; im Ton wenig nachsichtig mit den scholastisch räsonierenden Jesuiten, den kuschenden Juristen und Hofräten und dem absolut regierenden Frömmler, Herzog Maximilian.

Brutal statuiert die Münchner Obrigkeit ein Exempel an den Landfahrern, das als Abschrek-kung für das raubende und brandstiftend herumstreunende bayrische Landvolk dienen sollte. Als Hexen müssen die schrecklich Gefolterten auf dem Scheiterhaufen sterben.

Kunze schildert die Geschichte des kleinen Mannes und zeigt, wie Bayern um 1600 offenbar noch tief in der mittelalterlichen Denkweise steckte.

STRASSE INS FEUER. Vom Leben und Sterben in der Zeit des Hexenwahns. Von Michael Kunze. Kindler Verlag, München 1982. 396 Seiten, geb., öS 302,50.

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