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Benachteiligt wie die Bergbauem

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Der 3. Kongreß Europäischer Schriftstellerverbände im November in Wien hat ein deutliches Nord-Süd-Gefälle in der sozialen Stellung der Autoren festgestellt. In vielem sind österreichische Schriftsteller schlechter dran als ihre Kollegen in England, in Deutschland und in den nordischen Ländern. Ein Forderungskatalog wurde erstellt. Mit dem Präsidenten der Interessengemeinschaft österreichischer Autoren, Milo Dor, sprach Senta Ziegler:

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Der 3. Kongreß Europäischer Schriftstellerverbände im November in Wien hat ein deutliches Nord-Süd-Gefälle in der sozialen Stellung der Autoren festgestellt. In vielem sind österreichische Schriftsteller schlechter dran als ihre Kollegen in England, in Deutschland und in den nordischen Ländern. Ein Forderungskatalog wurde erstellt. Mit dem Präsidenten der Interessengemeinschaft österreichischer Autoren, Milo Dor, sprach Senta Ziegler:

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FURCHE: Wer ist die Interessengemeinschaft?

DOR: Der Dachverband aller 18 in Österreich bestehenden Schriftstellervereinigungen. Der PEN-Club ist in ihr ebenso vertreten wie die Grazer Autorenversammlung, der Verband demokratischer Schriftsteller und Komponisten, die Vereinigung hauptberuflicher Schriftsteller sowie alle Literaturkreise und Landesverbände. Während die sich aber um die literarische Seite dieses Berufes kümmern, haben wir uns um die soziale zu sorgen.

FURCHE: Wieviele Schriftsteller gibt es in Österreich?

DOR: Laut Mitgliederverzeichnis rund 1500, hauptberuflich davon aber nur rund 10 Prozent, also rund 150.

FURCHE: Spielt diese Unterscheidung in haupt- und nebenberuflich eine Rolle?

DOR: Steuerrechtlich ist sie leider von enormer Bedeutung durch den § 38 des Einkommensteuergesetzes, demzufolge alle Einkommen aus einem in der Freizeit eines Angestellten verfaßten Werk nur dem halben Steuersatz unterliegen. Für ein Einkommen von 150.000 Schilling zahlt ein Nebenberuflicher 12.000 Schilling, ein Hauptberuflicher aber 35.000 Schilling. Wir halten dies für eine ungerechte Bestrafung aller hauptberuflichen Autoren.

FURCHE: Was will die Interessengemeinschaft dagegen tun?

DOR: Unser Novellierungsvorschlag zu diesem § 38 sieht so aus, daß jeder Autor, Wissenschafter, Künstler - egal ob haupt- oder nebenberuflich - bis zu 200.000 Schilling im Jahr diesen begünstigten Steuersatz in Anspruch nehmen kann, darüber hinaus erst voll versteuern muß.

FURCHE: Wie hoch ist etwa das Durchschnittseinkommen des österreichischen Schriftstellers?

DOR: Es liegt etwa bei dem eines Hilfsarbeiters, jedenfalls unter dem eines Facharbeiters. Es gibt eben Randschichten, die die Konjunktur nicht erreicht hat. Der Schriftsteller ist benachteiligt wie der Bergbauer.

FURCHE: Steuer- und sozialrechtlich gilt der Schriftsteller als Unternehmer, weshalb ein Beitritt zur Gewerkschaft Kunst und freie Berufe derzeit nicht möglich ist. Er zahlt zurKranken-, Unfall- und Pensionsversicherung den vollen, also auch den Arbeitgeberanteil enthaltenden Beitrag. Ist dieser Unternehmer status gerechtfertigt?

DOR: Nein. Unsere Position ist keineswegs so stark wie die eines Anwaltes oder eines Arztes. Wenn wir freie Unternehmer sind, dann etwa wie der kleine Greißler. Während der aber Verluste abschreiben, den Konkurs oder den Ausgleich anmelden kann, können wir nur verhungern.

FURCHE: Änderungsvorschläge?

DOR: Da Autoren mit keinem regelmäßigen Einkommen rechnen können, unterliegen sie in Jahren mit besseren Einnahmen der vollen Steuerprogression. Wir fordern daher das Recht, die Bemessung der Einkünfte über mehrere Jahre hinweg aufteilen zu dürfen.

FURCHE: Wäre es demnach für Autoren etwa wie in Deutschland, wo sie jetzt der Gewerkschaft Druck und Papier beigetreten sind, besser, sie hätten eine arbeitnehmerähnliche Position?

DOR: Wir sind auch keine Arbeitnehmer, da wir nicht nur einen, sondern mehrere Auftraggeber - Rundfunk, Fernsehen, Verleger, Zeitungen - haben.

FURCHE: Aber herrscht zur Zeit nicht eher ein starker Trend, sich der Gewerkschaft einzugliedern?

DOR: Ja, das stimmt, doch bin ich nicht sehr dafür. Mir schwebt eine der Eigenart des Berufsstandes angemessene Sonderregelung vor. Es keine Subventionen, sondern nur, daß Gesetze geschaffen werden, die uns das sichern, was uns zusteht.

wäre das beste, die Interessengemeinschaft der österreichischen Autoren erlangte die volle Tarif- und Kollektivvertragsfähigkeit.

FURCHE: Was wäre ein Punkt, der einer Sonderregelung bedürfte?

DOR: Zum Beispiel die Pension: Da zahlt einer sein ganzes Leben brav seinen vollen Beitrag. Ab 65 hieße es dann, daß er keine Einkünfte aus seinen schriftstellerischen Arbeiten mehr haben dürfte, sonst treten die Ruhensbestimmungen in Kraft. Wo doch viele Autoren erst im hohen Alter mit ihren Jugendwerken ins Verdienen kommen!

FURCHE: Wer sollte Ihrer Meinung nach den Arbeitgeberbeitrag erbringen?

DOR: Dies hängt ganz eng mit dem in Österreich noch immer nicht geregelten Bibliotheksgroschen zusammen. Wir wollen keine Privilegien,

Erstens der Bibliotheksgroschen: Wir haben erhoben, daß es in Österreich jährlich 20 Millionen Buchentlehnungen gibt. Gäbe es für jede Entlehnung nur einen Schilling, hätten wir auf einen Schlag 20 Millionen - zehn für den Sozialfonds, der dann auch den Arbeitgeberbeitrag bezahlen könnte, und zehn für die Ausschüttung von Tantiemen, das ergäbe für jeden Schriftsteller hier schon an die 5000 Schilling im Monat.

Oder die kostenlose Werknutzung in Schulbüchern: Der Verleger verdient, der Herausgeber, der Buchhändler, der Autor bekommt nichts. Liefern die Papierfabriken das Papier umsonst, nur weil es für Schulbücher ist?

Oder die Gebühr für private Ton- und Bildbandüberspielung, die beim Kauf eines Gerätes zu entrichten wäre und wie es sie in der Bundesrepublik schon gibt.

Oder die Schutzgebühr für Kopien. Heute kann jedermann gratis kopieren, was er nur will, der Urheber bekommt nichts. Jetzt kommt das Kabel- und Satellitenfemsehen auf uns zu. Können dann auch Filme im gesamten deutschsprachigen Raum ausgestrahlt werden, ohne daß der Urheber etwas bekommt? Das müßte alles längst und schrittweise geregelt sein.

FURCHE: Wenn von einer „Ver- österreicherung“ der deutschen Literatur gesprochen wird - sollte diese Art von „Imagepflege“ dem Staat nicht ebenso viel wert sein wie etwa Burgtheater und Oper?

DOR: In einer Kulturpolitik, in der das gesamte Jahresbudget für Literatur inklusive Sozialfonds in der Höhe von 12 Millionen Schilling dem Defizit entspricht, das die Staatstheater an nur vier Tagen erwirtschaften dürfen, ist doch irgendetwas falsch. Es werden sicher nicht die Sänger und Bühnenbilder sein, die bleiben, sondern die Bücher, die unsere Epoche überleben.

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