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Betrug an den Deutschen

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Viele Ostdeutsche nennen die Vereinigung der beiden Deutschländer heute einen Skandal. Darf man von einem Vereinigungsskandal sprechen? Eher vom „Vereinigungsschwindel".

Für das Erlöschen der DDR spielte die Aussicht auf deutsche Einheit eine größere Rolle als bisher analysiert. Vielleicht liegt hier der Schlüssel für den friedlichen Übergang, jenes Sich-Nicht-Wehren eines hochgerüsteten Staatsapparates.

Der Vereinigungsschwindel wurzelt im Wiedervereinigungsgerede. Vom Wieder konnte spätestens seit den siebziger Jahren nicht die Rede sein; zu groß ist die entstandene Differenz. Es bleibt ein Versagen zu beiden Seiten der ehemaligen Grenze, sich nicht mit Konzepten zu einem künftigen Deutschland befaßt zu haben.

Politiker, die gewählt werden wollen, können nicht in der Lage sein, Notwendigkeiten zu erkennen oder sie gar noch auszusprechen. Warum erfaßten sie das Fiasko DDR nicht in voller Brisanz? Weil sie einen zu intensiven Kontakt mit der kleinen, aber doch zunehmend wirkungsvoll arbeitenden DDR-Opposition in den achtziger Jahren scheuten. Über was hätte geredet werden müssen? Daß die DDR-Bevölkerung weitgehend nicht benötigt wird im neuen Deutschland, eine Be-rentung aller billiger käme als Umschulungs- und Weiterbeschäftigungsmaßnahmen?

Der Vereinigungsschwindel samt aller Versprechungen, die nicht eingehalten werden konnten, mußte zu einer Art Dauerbetrug an beiden Teilen der deutschen Bevölkerung führen. Das Versagen der Politiker liegt in der Hoffnung der Selbstregulierung aller Probleme durch die Ökonomie. Solche Vorstellungen ähneln dem Trivialbolschewismus, der auch meint, aus den Produktionsverhältnissen alle gesellschaftlichen Erscheinungen erklären zu können.

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