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Bisamberg contra Madrid und Tunis

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Sieben Wochen lang verhandelten in Genf etwa 600 Delegierte aus mehr als 100 Ländern, um dem Chaos im Mittel- und Langwellenbereich ein Ende zu bereiten. Das Ergebnis: am 23. November 1978 punkt 0.01 Uhr MEZ werden, erstmals nach dreißig Jahren, die Lang- und Mittelwellensender wieder einmal weltweit und gemeinsam auf der Skala rücken, um die ihnen neu zugeteilten Plätze einzunehmen. Der Ätherdschungel wird dadurch zwar ein klein wenig lichter werden, der arme Rundfunkhörer aber, der abends vergeblich versucht, auf Mittelwelle einen Sender klar zu empfangen, wird auch dann keineswegs mit einem wirklich ungestörten Fernempfang rechnen können. Denn, statt die dringend notwendige Flurbereinigung in der Radiolandschaft vorzunehmen, hat man sich in Genf damit begnüngt, die Skala „zu jäten“.

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Sieben Wochen lang verhandelten in Genf etwa 600 Delegierte aus mehr als 100 Ländern, um dem Chaos im Mittel- und Langwellenbereich ein Ende zu bereiten. Das Ergebnis: am 23. November 1978 punkt 0.01 Uhr MEZ werden, erstmals nach dreißig Jahren, die Lang- und Mittelwellensender wieder einmal weltweit und gemeinsam auf der Skala rücken, um die ihnen neu zugeteilten Plätze einzunehmen. Der Ätherdschungel wird dadurch zwar ein klein wenig lichter werden, der arme Rundfunkhörer aber, der abends vergeblich versucht, auf Mittelwelle einen Sender klar zu empfangen, wird auch dann keineswegs mit einem wirklich ungestörten Fernempfang rechnen können. Denn, statt die dringend notwendige Flurbereinigung in der Radiolandschaft vorzunehmen, hat man sich in Genf damit begnüngt, die Skala „zu jäten“.

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Wellenkonferenz eigentlich um eine rein technische Angelegenheit handelte, setzte sich das Primat der Politik durch. Volkschinesen und Nationalchinesen, Inder und Paki-stani gerieten über die Standorte neu zu bauender Sender einander in die Haare, und auch der Nahostkonflikt wurde in Genf „radiotechnisch“ zusätzlich ausgetragen. Aber auch manche europäischen Länder stellten, trotz ihres gut ausgebauten UKW-Systems, Forderungen auf, die nur schwer verständlich sind. Das kleine Zypern reklamierte drei große und zusätzlich zwölf mittlere Mittelwellensender für sich. Und Jugoslawien wollte — als gäbe es keine Kurzwellensender — seine Gastarbeiter mit Hilfe besonders starker Mittelwellensender in ganz Europa betreuen. Griechenland aber stellte Frequenzwünsche zur Diskussion, die über jene der europäischen Großdie westdeutschen Wellenpläne waren weniger wellensparend. Der Föderalismus stand hier Pate für die Forderung nach 18 großen, 24 mittleren Mittelwellen- und zwei Langwellensendern. Skurril waren die römischen Wünsche nach einer ganzen Reihe von „Mini-Lokalsendern“ im Mittelbereich, „damit sich jedei Bürgermeister tagsüber an seine Bürger wenden könne“. Am Abend wenn die Reichweiten und damit die Störungen ansteigen, sollten diese Sender abgeschaltet werden. Osterreich steuerte einen interessanten Vorschlag zur Diskussion bei, der aber dann von der Konferenz nicht weiter verfolgt wurde: die Versorgung möge mit Rücksicht auf die verschiedenen Ausbreitungsbedingungen der Radiowellen am oberen und unteren Bandende tagsüber mit tieferen Frequenzen (größeren Wellenlängen) nachts aber mit höheren Frequenzen (kleineren Wellenlängen) erfolgen.

Das Ergebnis der wochenlangen Beratungen war recht bescheiden: man kam zur Ansicht, daß ein zahlenmäßiger Abbau vor allem der nachts arbeitenden Sender vorgenommen werden müsse, wobei den Entwicklungsländern, die nicht über UKW verfügen, eine gewisse Priorität eingeräumt wurde. In einer Unzahl von bilateralen Verhandlungen suchten dann die „Wellenhändler“ das „Beste“ für ihr Land auf diesem „Jahrmarkt der nationalen Eitelkeiten“ herauszuholen. Österreich verlor eine Mittelfrequenz auf 729 kHz, behält aber die als gut zu bezeichnenden Frequenzen 522 kHz, 585 kHz und 1026 kHz, sowie drei weniger befriedigende Wellen mit 630 kHz, 774 kHz und 891kHz. Problematisch ist dabei die Frequenz 585 kHz (Klagenfurt, Matrei, Salzburg, Bisamberg), auf der nämlich auch Madrid mit 500 Kilowatt Leistung und Tunesien mit 350 Kilowatt senden, denen allerdings Wien-Bisamberg 1200 Kilowatt entgegenstellt. Hier sollen doch bilaterale Verhandlungen über gegenseitige Störminderungen stattfinden. Auch die Schweiz mußte teilweise auf eine Mittelwelle in der Nacht verzichten. Bonn aber konnte von den 44 angemeldeten Frequenzen nur 33 nach Hause bringen. Dafür erhielt nun das Fürstentum Liechtenstein zum erstenmal eine Mittelwelle auf 1386 kHz zugeteilt. Die Wellenzuteilung bedeutet aber nicht, daß Liechtenstein in absehbarer Zeit einen eigenen Sender errichten wird, obgleich seit Jahrzehnten davon die Rede geht.

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