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Bleifuß auf dem Gaspedal

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Was seit langem die Spatzen von den Dächern (nicht nur der Kärntner Straße) gepfiffen hatten, trägt seit der Präsentation der jüngsten Budgetvorschau die Punze der Sozialpartner: Der seit 1974 vom Staat bewiesene „Mut zum Schuldenmachen” hat mittlerweile den „point of no return” erreicht;'in Hinkunft sorgt schon die Bedienung des Schuldenberges, daß dieser unweigerlich weiterwächst, und zwar nicht bloß absolut, sondern auch in Relation zum Budgetvolumen oder zum Sozialprodukt.

Dafür sorgt, in Paranthese vermerkt, auch die — vom ersten sozialistischen Finanzminister auf den zweiten vererbte — Gepflogenheit, sich mit tilgungsfreien Jahren bei Kreditaufnahmen eine kurze Verschnaufpause zu verschaffen. Aber damit wird ja im kleinen nur dasselbe praktiziert wie mit dem „permanent deficit spending” im großen: das, was im Englischen „to buy time” heißt.

Was — sei es beim Budget, sei es bei der Leistungsbilanz — ein kluges Vorgehen ist, wenn die Verschuldung „produktiven” Zwek-ken dient. Die „klassische” Finanzwissenschaft, die Kreditaufnahmen nur für „rentierliche” Vorhaben tolerierte, war zwar zu engherzig konzipiert, aber bezieht man in die „Rendite” von Defizitausgaben auch deren Wachstums- und Beschäftigungseffekt samt den daraus resultierenden Mehreinnahmen bzw. Minderausgaben (z. B. für Arbeitslosenunterstützung) ein, hat das Gebot der „Produktivität” für Kreditaufnahmen noch immer Geltung und zeigt die Budgetvorschau mit ernüchternder Deutlichkeit, wie sehr in den letzten Jahren gegen diese Gebot verstoßen worden ist.

Und, ärger noch, wie in Hinkunft erst recht gegen dieses Gebot verstoßen werden wird, ja werden muß, denn die Bedienung alter Schulden ist mit Sicherheit die unproduktivste Verwendung neuer Kredite.

Neu ist das Phänomen, daß die Bedienung von Schulden, deren Aufnahme seinerzeit zusätzliche Ausgaben ermöglicht hatte, nunmehr die laufenden Ausgaben immer mehr beengt, aber höchstens für das Gesamtbudget.

In der Rezession 1974/75 und auch noch in den ersten Jahren nach dem (damals nur von Außenseitern wie mir als solcher diagnostizierten) Wachstums-knick konnten der Finanzminister, die Regierung und die Mehrheitsfraktion des Nationalrates die Bereitschaft zum Schuldenmachen als Wechsel auf eine bessere Zukunft rechtfertigen. Der in der Budgetvorschau dokumentierte Zwang zum weiteren Schuldenmachen ist tragischerweise ein Wechsel auf eine schlechtere Zukunft.

Die Kehrseite der Einbahn in eine immer höhere Staatsverschuldung ist, daß für die mindestens 35 Milliarden, um die wir allein heuer über unsere Budgetverhältnisse leben werden, auch noch unsere Kinder und Kindeskinder von der Wiege bis zur Bahre Zinsen zahlen müssen.

Daß wir aus der Einbahn ineine immer höhere Staatsverschuldung im Retourgang herauskommen könnten, ist eine Illusion. Aber müssen wir dauernd den Bleifuß auf dem Gaspedal haben?

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