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Blick zurück ohne Zorn

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Weithin wahrscheinlich unbemerkt, weü in das Vorabendprogramm eines Sommersonntags verlagert, lief unlängst ein Film mit dem unvergeßlichen Fernandel. Für Kenner war das ein gerührtes Wiedersehen. Ein Blick zurück ohne jeglichen Zorn.

Freilich, das deutschsprachige Publikum kennt Fernandel fast nur als Don Camil-lo, als einen Italiener also, der er nicht war. Darauf beruhen die Mißverständnisse des Publikums. Und auch diesmal mußte er einen Italiener unter Italienern spielen, einen Tierarzt, um den herum man eine Klamaukhandlung aufgebaut hatte, wobei der beste Einfall zum Überdruß aus „Lord Arthur Savilles Crime“ von Oscar Wilde gestohlen war: Verkommener Erbneffe versucht immer wieder, aber vergebens, seine Tante, die Gräfin, umzubringen, die Gräfin genießt das und wird uralt. Auf diesem geistigen Diebstahl und auf dem falschen Einsatz des Südfranzosen Fernandel beruhten die Mißverständnisse der Produzenten.

Denn Fernandels Marseiller Slang und seine französische Gestik passen eben schlicht und einfach nicht in ein italienisches Milieu. Franzosen gestikulieren aus dem Schultergelenk und mit den Armen. Zwei erhobene Finger sind bereits ein Alarmsignal. Italiener unterstreichen ihre Rede mit den Fingern. Daumen, den Mittelfinger berührend: fino, tadellos. Alle Finger zusammengeschlossen an wiegender Hand: Ich will dir erklären. Zeigefinger und kleiner Finger vorgestreckt: Abwehr (des bö.-. sen Blieks oder eines menschlichen Reptils).

Das Vokabular der Finger ist in Wirklichkeit natürlich viel reichhaltiger und es kommt geradewegs aus der spätgriechischen Pantomime. Es hat sich in Italien erhalten, nicht aber in Frankreich. Die Spanier wiederum haben von ihren einstigen Habsburgern gelernt, Gestik nach Tunlichkeit überhaupt zu vermeiden, so daß ein ausgestreckter Arm nach wohlgesetzter Rede die Wirkung eines Wetterleuchtens hat.

Fernandel war also mit „Don Camillo“ falsch eingesetzt und blieb es dann leider. Aber es war eine gerührte Freude für Kenner, sein entblößtes Pferdegebiß wiederzusehen und seinen Marseiller Slang zu hören.

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