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Bravouröses Debüt

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Mit zwei sensationellen Konzerten im Chor- und Orchesterzyklus im Musikverein stellte sich das Chicago Symphony Orchestra auf seiner ersten Europatoumee vor. Die Dirigenten: Georg Solti und Carlo Maria Giulini. Zwei fulminante Abende, die dieses für Amerikas, Musizierkultur vielleicht charakteristischeste Orchester in seiner ganzen Brillanz, klanglichen Schönheit und stupenden Exaktheit vorführten. In der Reihe zwischen den unvorstellbar gedrillten, mit geradezu legendärer Präzision spielenden Clevelandem und dem im „Sound“ weit mehr europäischen Bostoner Orchester angesiedelt, hält es sich in der Mitte und mit diesen zweien zugleich die Spitze amerikanischer Orchester.

Nicht gerade unverwechselbar, aber großartig das Klangbild: fast französisches Timbre im virtuos trainierten Blech, eher weich zeichnende Holzbläser. Die Streicher spielen am überzeugendsten hart konturierte Kantilenen. Mehr Probleme schaffen wienerisch duftige Sätze voll Schmelz, Melancholie, mit dem gewissen Hauch der Tristan- Atmosphäre, wie man ihn eigentlich im Adagietto der „Fünften“ von Mahler ausbreiten müßte.

Den Chikagoern liegen vor allem Sätze wie der Trauermarsch oder das Rondo, deren harte Kontraste, wild auffahrende Einschübe und nervöses Kantilenengeflacker, sie sehr« differenziert herausarbeiten.

Solti, seit 1969 Musikdirektor des Orchesters, hat es natürlich bis ins Detail im Griff. Er ist ein sinnenfreudiger Musikant, kein Grübler, kein Philosoph, der Mahler ins Psychopathologische umdeutet. Ihn fasziniert Mahlers Freude am „dramatischen Durchringen“ der großen Gedanken. Er baut sie dementsprechend überzeugend in weitgespannte Steigerungskurven ein. Wieviel Intensität hat er aber Giulini, dem manchmal recht äußerlich auf Bravour orientierten Taktstockakrobaten, voraus, der Interpretation immer wieder als Selbstreflexion betrachtet.

Im ersten Konzert hörte man neben Mahler noch Bartöks „Musik für Ssiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta“: eine sensibel nuancierte, klug kalkulierte Aufführung, allerdings ohne jene artistische (Karajan-) Brillanz, die heute für dieses Werk so gängig geworden ist. Hier wirkte alles derber, herber, rauher und obendrein nicht in einem einzigen dynamischen Bogen entwickelt; vier Sätze, ein jeder für sich intensiv modelliert, von innen her leuchtend.

Der Jubel des Publikums wollte kein Ende nehmen.

Zum Saisonstart spielten die Wiener Philharmoniker ihr erstes Abonnementkonzert: ein frisch musiziertes, leider kontrastarmes Programm, das zusammenzustellen Phantasie kaum notwendig gewesen sein dürfte. Karl Böhm huldigte erneut Schuberts symphonischem Schaffen, sorgte für eine in Tempi und dynamischen Feinheiten sehr überzeugende „Zweite“. Dvofäks „Neunte“: „Aus der Neuen Welt“, geriet klanglich luxuriös, in den Einzelheiten sehr nobel. Mozarts Serenata not- tuma ließ an Spannung viel zu wünschen übrig. Sollte das reizvolle Stück den Philharmonikern wenig Freude gemacht haben oder war’s für sie lediglich ein Einspielstück?

• Der Spielplan der Burgenländischen Festspiele 1972 steht bereits fest: Auf Burg Forchtenstein wird Leopold Lindtberg im Grillparzer- Zyklus „Der Traum, ein Leben" inszenieren. In Mörbisch wird sich der Neusiedlersee in die Lagunenstadt verwandeln, wenn „Eine Nacht in Venedig" von Johann Strauß im kommenden Jahr auf der Seebühne in Szene geht.

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