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Budapest - Wien

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Lohnt es sich, die Mentalitätsgeschichte von Sprachgemeinschaften und Völkern noch ernst zu nehmen, wo doch Supermächte mit Erdöl, Uranisotopen und Computern unsere Geschicke global bestimmen? Aber diese Frage steht auf derselben Qualitätsstufe wie diejenige, ob eine Blinddarmentzündung ernst zu nehmen sei.

In seinem ebenso witzigen wie abgründigen Buch spürt Georg Kövary den anziehenden und einander abstoßenden Kräften seiner beiden Seelen nach, der ungarischen und der österreichischen. In bald unbeschwert launiger, aber auch tragisch-komischer Weise erschließt sich dem ungarischen Gaststudenten der Wiener Universität Tibor Vogel die Wiener Mentalität, darüber hinaus aber auch der Bewußtseinswandel beim Übergang von einer ideologisch verkrampften in eine vom Konsum dämonisierten Welt.

Auf der Suche nach einem Nebenjob wird Tibor zum neuen Ödysseus, der im Land der Phäaken als Babysitter, Telefonist, Kinobilleteur, Opfer der Automobilisation und Lärmgeschädigter der Paradiesesschlange des Westens immer tiefer ins Maul schaut. Solcherart kugelt Tibor durch die österreichische Gesellschaft und der Leser zerkugelt sich vor Lachen. Aus Parodien und Grotesken resultiert aber wie bei einem Puzzlespiel das nachdenkliche Bild einer späten Stunde, die vielleicht schon ein wenig nach der offiziellen Sperrstunde im Phäa-kenland anzusetzen ist.

TIBOR GOES WEST ODER EIN UNGAR KOMMT INS PARADIES. Von Georg Kövary. Styria Verlag, GrazAVien/Köln 1992. 179 Seiten, öS 198,-.

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