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Das große Wagnis

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Nochmals wird von dem Schweizer Dichter Franz Fassbind (geboren 1919) der Versuch unternommen, in einer von Dante geprägten Form, dem Terzinenepos und dessen strengem Reim- und Wortritual das Weltgeschehen unseres Jahrhunderts in einem Sinnbild zu deuten.

Den Dantesken Dreischritt von Hölle, Fegefeuer und Himmel transponiert Fassbind in die Dreigliederung von Opferung, Wandlung und Kommunion, also in die Eucharistie.

Während aber bei Dante das dialogische Prinzip darauf beruht, daß Vergil die ihm vertrauende Seele durch die Zonen der Welt führt, durchzieht die Dichtung Fassbinds eine Auseinandersetzung des Paulus mit seinem Saulus, gibt also der Dichtung die Faustische Dynamik des Kampfes zwischen Ja und Nein.

Eine solche „Hohe Messe" verpflichtet zur langsamen Durchdringung und Aneignung. Dann erst läßt sich abschätzen, inwiefern das Wagnis einer synchronen Darstellung der Menschheitsgeschichte tatsächlich zur Schau

wird oder ob sie im Gleichnis, gefesselt an sprachliche Dimensionen, verharrt.

Wie immer es darum bestellt sein mag, eine solche Dichtung bietet auch in den Myzelen einzelner Terzinengruppen nicht nur Phantasie und Schönheit. Sie regt dazu an, für die christliche Botschaft neue Ausdrucksformen zu verwenden. Insofern ist das Buch auch eine Herausforderung an die Glaubensgemeinde, der sie sich nicht entziehen sollte.

Als Beispiel einen Vers aus dem 27. Gesang, einer Sintflut-Atomapokalypse, gegen die sich Saulus auflehnt. Er verlangt nach der Arche Noah. Doch Paulus entgegnet: „Dich trägt kein Schiff, denn dich erträgt nur Gnade".

DIE HOHE MESSE. Von Franz Fassbind. Walter Verlag, Ölten und Freiburg 1990. 230 Seiten, öS 249,60.

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