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Die Weltspartagesergebnisse 1975 und 1976 waren Rekordergebnisse: 9,2 beziehungsweise 10,2 Milliarden Schilling wurden an diesen Tagen bei österreichischen Kreditinstituten eingezahlt. Dennoch war die Freude des Kreditapparates nicht ungeteilt: Eine deutliche Überliquidität war zu spüren, ja es wurden sogar vereinzelt Stimmen laut, die vor einer zu kräftig gerührten Werbetrommel warnten: „Die Bevölkerung soll konsumieren, damit die Wirtschaft wieder in Gang kommt.“ Heute hat sich die Situation ins Gegenteil verkehrt. Der österreichische Geldmarkt ist von einer außerordentlichen Liquiditätsverknappung gekennzeichnet, welche durch die von der Ankündigungspolitik der Regierung hervorgerufene Konsumwelle noch verstärkt wird.

Dennoch hat auch der Weltspartag 1977 wieder ein Rekordergebnis gebracht: Uber 11 Milliarden Schilling (davon allein 4,7 Milliarden bei den Sparkassen) wurden an diesem Tag bei österreichischen Kreditinstituten eingezahlt, obwohl es heuer besonders schwer war, die Bevölkerung auf den Sinn des Sparens aufmerksam zu machen. Vielleicht ist es zu einer Gewohnheit geworden, daß man eben am Weltspartag eine Sparkasse aufsucht, jedenfalls ergab eine Untersuchung, daß 96 Prozent der Österreicher die

Einrichtung des Weltspartages kennen.

Im Dunkel bleibt jedoch, wie hoch der Anteil derjenigen Weltspartagseinzahler ist, die sich nur aufgrund des obligaten (Billig)Geschenkes in die Filialen drängen, denn das zeitliche Nahverhältnis des 31. Oktober zu den vorweihnachtlichen Geldabhebungen läßt eine ernsthafte Prüfung der „Verweildauer“ der Einlagen nicht zu. Es wäre auch an der Zeit, den Weltspartag nicht nur auf das Sparbuch zu beschränken, sondern auch die anderen Sparformen in den Vordergrund zu stellen.

Schließlich bieten die von den Geldinstituten angebotenen Sparsysteme höhere Ertragsmöglichkeiten, als das einfache Sparbuch, wenn es auch am Beginn jeder Spartätigkeit stehen muß.

Es gibt immer mehr auch positive Ansätze, bei der Gestaltung des Weib spartages neue Wege zu gehen. Der von vielen bereits als überholt angese-

hene Andrang auf die BUliggeschenke sollte - so meinen Experten - mit der Zeit abgebaut werden. Eine Radikalkur wird jedoch nicht empfohlen, die Kinder sollen auch in Hinkunft nicht leer ausgehen.

Die Erste österreichische Spar- Casse proklamierte bereits 1975 einen mehr oder weniger „geschenklosen“ Weltspartag. Mit Erfolg: Rund drei Viertel der Befragten waren mit der Idee, das Geld anstatt für Werbegeschenke für andere Zwecke auszugeben, einverstanden. Insbesondere die für die Geldvermögensbildung besonders wichtige A-Schicht sprach sich gegen die Billiggeschenke aus. Diese Aktion hat in der Zwischenzeit zahlreiche Nachahmer gefunden, wenn auch die meisten Institute derzeit noch diese Initiativen parallel zu den traditionellen Geschenken durchführen. So gibt es beispielsweise Umweltaktivitäten, Wettbewerbe, Hilfsaktionen für Behinderte, einen Forschungsauftrag zur Förderung der Innovation und andere Aktionen. Damit dürfte der richtige Weg beschritten worden sein, um vom bisherigen Image des Weltspartages, durch den das eigentliche Anliegen verdeckt wird, wegzukommen.

Sparen ist viel mehr als temporärer Konsumverzicht des einzelnen zu wer-

ten, sei es zum Zweck der Vorsorge oder als zielgerichtetes Sparen, um sich einen konkreten Wunsch erfüllen zu können. Sparen ist die weitverbreitetste und am leichtesten zugängliche Form der Vermögensbildung. Insgesamt beträgt die private Geldvermögensbildung der privaten Haushalte in

Osterreich (in Form von Spareinlagen) per 30. September 1977 über 352 Milliarden Schilling (davon 124 Milliarden bei den Sparkassen). Eine beachtliche Ziffer, die die Bedeutung des Sparens deutlich macht. Schließlich stellt Sparen die einzige nachhaltige Quelle der Kapitalbildung dar und ist damit eine unabdingbare Voraussetzung für das Gedeihen einer Volkswirtschaft.

Daß dies nicht ausschließlich für das Geldsparen gilt, sondern für alle anderen Bereiche des wirtschaftlichen Handelns auch, wurde uns erst in den letzten Monaten richtig bewußt. Die Nationalökonomen haben uns vorgerechnet, daß wir seit geraumer Zeit über unsere Verhältnisse leben. Das „öffentliche Sparen“, also der sorgsame Umgang mit Steuergeldern, sollte eigentlich das Motto des Weltspartages sein, denn erst diese Grundhaltung schafft ein Klima des Vertrauens, in dem auch der einzelne einen Anstoß zur eigenen Spartätigkeit sehen wird. EWALD BAUER

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