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Dem Blutkrebs auf der Spur

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Leukämie ist zwar nicht die häufigste Krebsform, wohl aber eine besonders heimtückische. Bis heute kennt man über zehn verschiedene Formen dieser Systemerkrankung, die sich im Früh­stadium manchmal nur schwer vonein­ander unterscheiden lassen.

Weil aber gerade eine Früherken­nung über einen Behandlungserfolg und damit über die Überlebenszeit der Pa­tienten entscheidet, sind Erfolge bei der Diagnostik auch für die Therapie von besonderer Bedeutung. Darüber be­richteten Fachleute aus aller Welt vo­rige Woche in Wien bei einem Kongreß über Leukämie-Marker-Substanzen.

Leukämie-Marker sind bestimmte Oberflächenstrukturen bösartiger Zel­len, die mit Immuneiweißkörpern (An-, tikörpern) in einer besonderen Weise reagieren. Bis vor kurzem gewann man diese Antikörper in sehr aufwendiger Weise aus den Seren von Versuchtstie­ren, die vorher mit Leukämiezellen geimpft wurden.

Die Qualität dieser Antikörper und die so gewinnbaren Mengen waren je­doch nicht zufriedenstellendi

Ein wesentlicher Fortschritt ist erst in letzter Zeit gelungen. Heute kann man derartige Antikörper mit Hilfe der Zellverschmelzungstechnik auch im Reagenzglas herstellen.

Dabei werden Antikörper produzie­rende, aber kurzlebige Zellen mit nicht Antikörper produzierenden, aber äu­ßerst langlebigen Zellen verschmolzen. Man erhält dabei als Verschmelzungs­produkt eine Hybridzelle, die sowohl lange lebt und somit beliebig lange züchtbar ist, als auch die gewünschten Antikörper produziert. Damit steht nun erstmals eine Technik zur Verfü­gung, mit der man genügend große Mengen hochaktiver und absolut spezi­fischer Antikörper herstellen kann.

Schon jetzt ist diese Methode - sie wurde von Prof. Milstein aus Cam­bridge entwickelt - eine Bereicherung

der übrigen mikroskopischen und im­munologischen Bestimmungsverfahren zur Leukämiediagnostik. Sie wird auch im Tumorimmunologischen Labor der Universität Wien vom Organisator die­ser Tagung, Univ.-Prof. Walter Knapp, mit großem Erfolg eingesetzt.

Die Suche nach einem speziellen Leukämie-Antikörper geht aber weiter. Es gibt nämlich Hinweise darauf, daß sich mit dieser Methode möglicher­weise auch Antikörper herstellen las­sen, die für bestimmte Leukämiefor­men spezifisch sind. Wenn es gelingt, sie bei der Leukämiebehandlung einzu­setzen und oft auch für gesunde Zellen nicht ungefährliche Medikamente an solche Hybrid-Antikörper, die ja ein Kunstprodukt sind, zu koppeln, könnte das, so die Meinung der in Wien anwe­senden Fachleute, von großem thera­peutischen Nutzen sein.

Diese Eiweißstoffe lassen sich schon jetzt mit bestimmten Farbstoffen oder radioaktiven Isotopen, aber auch mit bestimmten Enzymen relativ gut kop­peln.

Die Frage, warum gerade die Leukä­mieforschung für die Immunologen ei­nen so großen Stellenwert hat, liegt in der Problematik der Tumorimmunolo­gie selbst begründet. Blutzellen lassen sich - zum Unterschied von anderen Gewebskrebszellen - relativ leicht und ohne Gefährdung des Patienten unter­suchen.

In absehbarer Zeit ist auch bei der Leukämieforschung noch kein wirkli­cher Durchbruch, also keine kausale Behandlungsmöglichkeit zu erwarten. Es könnte aber durchaus sein, daß sich gerade die Leukämie in absehbarer Zeit zu einem „Paradepferd“ der Krebsfor­schung entwickelt, weil die Immunfor­scher in aller Welt über diese Krebs­form in jeder Hinsicht noch am besten Bescheid wissen.

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