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Der Eisberg

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Claus Gatterers „Teleobjektiv” reizt oft zum Widerspruch, regt aber stets zum Denken an, und das ist dankenswert. Unlängst warf da ein hervorragend gestalteter Beitrag die Frage auf: Wo kommen die kleinen Burger-Stimmen her?

Gewiß, das Angstgeschrei der Neuen Klasse, als sie der Spitze des Eisbergs ansichtig wurde, entbehrte nicht der Komik, unterstrich aber vor allem die Tatsache, wie volksfremd Volksvertreter sein können.

Nach erfolgreicher Umerziehung außerstande, geschichtliche Zusammenhänge zu erkennen, hat sich die Neue Klasse etliche Begriffs-Amalgame eingeredet. Es geht nämlich nicht an, so verschiedenartige Dinge wie Mehrheitsherrschaft, Freiheitsrecht und Wohlstand mit dem einen kleinen Kautschukwörtchen „Demokratie” zu bezeichnen, und es geht nicht an, die Regierungsform Diktatur mit dem Phänomen Nationalsozialismus gleichzusetzen.

Während der Westen von einem zur Permissivität degenerierten Jakobinismus beherrscht wird, der Osten von einem zum eigenen Zerrbild entarteten Marxismus-Leninismus, hat sich in der Dritten Welt der Na-tional-Sozialismus etabliert.

Das Phänomen hat mit Holocaust und anderen Verbrechen des Braunauers wenig zu tun. Notfalls mobilisiert es Religionshaß, der überall dort latent ist, wo zwangsbekehrt wurde, und notfalls auch jenen Fremdenhaß, der allen Völkern eigen ist, seit Neandertaler und Cro-Magnon-Menschen voreinander Angst hatten. Mit degeneriertem Jakobinertum, entartetem Marxismus und modifiziertem Nationalsozialismus wird man in Hinkunft leben müssen.

„An der schönen lauen Donau” freilich wird das alles vorerst zum üblichen Brei verrührt werden. Unterdessen wartet das Volk, dem man die ihm instinktgemäße milde Regentschaft erfolgreich ausgeredet hat, geduldig auf den nächsten glorreichen Verbrecher. Der wird nicht Hitler heißen; er wird behaupten, Demokrat zu sein, das klingt so schön.

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