Wer je in die dürftige Moskauer Wohnung Andrej Sacharows Einblick hatte (das Fernsehen machte es möglich), sah im Kreis der Zufluchtsuchenden als überragende Gegenfigur zur unauffälligen, leisen Persönlichkeit des Gelehrten ein riesenhaftes, zeusartiges Mannsbild, bärtig, mit blitzenden Augen: einen Bogatyr, eine Bilderbuchgestalt aus sagengrauer Zeit:
Wer Solschenizyns „Höllen“- Epos gelesen hat, weiß, daß derselbe Mann ihm auch dort, in der Gestalt Rubins, aufs Eindrucksvollste begegnet ist.
Lew Kopelew - Jungkommunist, Sowjetoffizier, Lagerhäftling, „Andersdenkender“ - ist auch selbst mit Bekenntnisbüchern „Und schuf mir einen Götzen / Lehrjahre eines
Kommunisten“ (1979), „Aufbe- wahren für alle Zeit“ (1976), mil seinen Lebenszeugnissen und Literaturstudien („Verbietet die Verbote!“, „Verwandt und verfremdet“) eine Symbolfigur humanen Russentums geworden. Die antisemitische Denunziation in der Sowjetpresse - „Judas in der Rolle Don Quichotes" - hat das nur verdeutlicht.
Im Jänner 1981 fand Leonid Breschnew Zeit, die von den Zaren begonnene Liste der Ausbürgerungen mit dem 68jährigen zu verlängern. Das Regime verträgt nicht solche Menschen zwischen seinen Mauern. Allein schon ihre Existenz stört, gefährdet die Untertänigkeit. Kopelew hat sogleich seine Treue zur Heimat beschworen. Vergeblich.
Nun hält sich Kopelew in Wien auf. Wir begrüßen ihn, den Furchtlosen, der in so überwältigender, liebenswerter Vitalität hervortritt.