7059512-1991_30_14.jpg
Digital In Arbeit

Der gefeierte Literaturdespot

Werbung
Werbung
Werbung

Stefan George, ein literarischer Grenzgänger, hat immer die Extreme herausgefordert, den erbarmungslosen Verriß durch einen Eduard Engels ebenso wie die kultische Anbetung durch seinen Jüngerkreis. Insofern hat sich nach einem halben Jahrhundert ein stabiles Gleichgewicht eingestellt, als sich nunmehr die Extreme in einem „objektiven Staunen“ über das Phänomen Stefan George wechselseitig aufheben. Mögen anderen Dichtem zuweilen Zaubersprüche gelingen, Stefan George spricht eine Zaubersprache, die, indem sie die Dinge nennt, sie zugleich in Reim, Rhythmus und in ein Ranken werk von Bildern verwandelt, wo sie nach aller Entstellung durch den Alltag eine „restitutio in integrum“ erleben und in dieser Urtümlichkeit der Sprachgewalt ihre Heimat finden.

Die vorbildliche literaturwissen- schaftlich aufbereitete Ausgabe, der dritte Band von Stefan Georges sämtlichen Werken, bringt durch Briefzitate und Werkgeschichte freilich nun auch die Wunderlichkeit dieses Literaturdespoten zu Bewußtsein, vor dem Hugo von Hofmannsthal geängstigt geflohen ist: vor einem Typus, der in der Politik zwar immer wieder auftaucht und zu unser aller Schaden seine Erfolge genießt, im literarischen Bereich aber bereits Komponenten von Clowntum und Selbstironie einschleusen muß, um sich im demokratischen Milieu noch ausleben zu können.

STEFAN GEORGE. Die Bücher der Hirten- und Preisgedichte, der Sagen und Sänge und der hängenden Gärten. Klett-Cotta Verlag, Stuttgart 1991. 151 Seiten, öS 265,-.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung