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Der Hund boll

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Manche wollen es nicht wahrhaben, daß „fragen" ein schwaches Verbum ist, daß man also in der Mitvergangenheit „frag- te" sagen muß und nicht „f rüg", in- folgedessen in der Einzahl der Ge- genwart „du fragst", „erfragt" und nicht „du fragst" beziehungsweise „er fragt". Das Zeitwort „fragen" war immer ein schwaches Verbum, schon im Mittelhochdeutschen. Die starke Form, die in der Schrif tspra-

che im nördlichen Deutschland häu- fig gebraucht wird, ist also abzu- lehnen: Man sagt ja auch in der Ver- gangenheitsform nicht „er hat ge- fragen", sondern „gefragt".

Im süddeutschen Bereich scheint in manchen Intelligenzkreisen die Meinung zu herrschen, die Form „fragt" sei die richtige, weil man ja „läßt", „fängt", „schlägt" sagt und nicht wie in der Umgangssprache „laßt", „fangt", „schlagt".

In der Dichtung findet man die starke Form häufig nicht nur bei Norddeutschen wie Theodor Storm, sondern auch bei Prager Autoren wie Franz Kafka und selbst bei österreichischen Erzählern, zum Beispiel bei Adalbert Stifter. Sogar Josef Weinheber, sonst im Sprach- lichen nach seinem Mentor Karl Kraus korrekt, reimt in seinem frühen Gedichtzyklus „Der dunkle Weg" „schlägt" mit „fragt". Der von der deutsch-belgischen Grenze stammende Schriftsteller Josef Ponten (1883-1940) gebraucht im Imperfektum sogar die Konjunk- tivform „früge".

Natürlich stehen da Zeitungen nicht zurück. Da „fragt" der Ver- fasser eines Leitartikels bei den Ko- alitionsparteien an, wie lange es noch so weitergehen soll. Selbst- verständlich erscheint auch das un- schöne Kompositum „hinterfragen" mit der Form „hinterfrägt". Die Bildung „hinterfrug" hat man bis jetzt wohl noch nicht gehört.

Die Neigung, schwache Verben zu starken zu machen, war bei dem schon genannten Josef Ponten be- sonders ausgeprägt. In seinen Er- zählungsbänden bildete er die Mit- vergangenheit von „jagen" als „jug" (statt jagte), von „bellen" als „boll" (statt bellte), eine Form, die im 18. Jahrhundert bei Lessing, Goethe, Jean Paul noch gelegentlich vor- kommt.

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