Für gewöhnlich sind es ja Buch- Erstlinge, die Interesse, Verblüffung und Begeisterung auslösen, die mitunter, was Schwung und Originalität anlangt, von ihren Erzeugern tragischerweise nie wieder eingeholt werden können, die einen lebenslangen schriftstellerischen Ruhm begründen und dann, in späteren Jahren, immer aufs neue zitiert werden.
Bei Elfriede Ott ist aber nichts gewöhnlich. Ihr literarischer Zweitling übertrifft nämlich den Erstling, sie hat sich seither offenbar „eingeschrieben“, nimmt jede Kurve, läßt die Sätze fließen und, wo es nottut, die Wörter purzeln, hüpfen und knallen, nichts kann diesen neuen Stü, den Ott-Stil, mehr aufhalten, sich durchzusetzen, und es wird der Ott nach jedem neuen Buch, das sie uns hoffentlich noch schenken wird, von nun an ergehen, wie es einst dem Peter Altenberg ergangen ist: die Leute auf dem Kohlmarkt, auf dem Graben und in den noch vorhandenen Cafėhausern werden sich zusammenrotten und einander über der Frage in die Haare geraten, ob die Ott nun eine Dichterin ist oder nicht.
Eine Malerin ist sie ja längst, das müssen die Aquarelle dieses Zweitlings nicht erst beweisen, und eine Zeichnerin ist sie obendrein, denn die neun „Wienietten“, die sie den neun Aquarellen hinzugefügt hat, sind fast noch schöner und typischer als diese.
Das Großartige aber ist, daß man bei all dem als Leser die Schauspielerin Ott keinen Augenblick lang vergißt. Denn hinter jedem Wort steht der unverwechselbare Tonfall, hinter jedem Satz die vertraute Mimik und die immer wieder überraschende Geste. Man sieht und hört es, was man da liest.
Und der Mut, der einen an diesem oder an jedem trüben Tage beinahe verlassen hätte, der Mut, ja zu sagen zu diesem unerträglichen, unersetzlichen Wien, kehrt mit einemmal wieder.
WENN MAN IN WIEN ZUR WELT KOMMT. Anschauungen und Einblicke von Elfriede Ott. Mit 9 Aquarellen und 9 „Wienietten“ der Autorin. Verlag Fritz Molden, Wien 1977, 121 Seiten, öS 235,-.
