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Des Intendanten Abschiedsgruß

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Mit der Tendenz zur Entmystifizierung und gleichzeitigen Konkretisierung der Handlung macht Günther Rennert aus Wagners „Götterdämmerung“ ein höchst aktuelles Familiendrama. Wohl tastet er nicht die psychologischen Forderungen der Musik des „Ringes“ an, gibt aber dennoch dem Werk eine überraschend populäre, sehr privatmenschliche und unmittelbare Konzeption. Die Personalregie wirkt immer spontan, ungekünstelt, wie etwa in der leidenschaftlichen, auch räumlich dichten Unterhaltung der Nornen, in der herzlich-gelösten Abschiedsszene Brünhilde-Siegfried, in dem großzügigen Angebot Gunthers an Siegfried, Gibichungen-halle und Schwester als seinen Besitz zu betrachten, wovon dieser auch sofort hochentzückt Gebrauch macht. Uberhaupt wird in dieser „Götterdämmerung“ nicht lange gefackelt: da wird gezecht (Gi-bichungenhalle) und dröhnend gelacht (Mannen mit Hagen), da wird stürmisch geliebt und geflirtet (Siegfried-Brünhilde, Siegfried-Gutrune), da umarmt Gunther bald vertraulich die Schwester, bald

kumpelhaft den sympathischen Schwager, da fallen die aufgebrachten Mannen dem Mörder Hagen vehement in den Arm, wie sie auch beim Nahen der Feuersbrunst heftig gestikulierend den Albensohn zunächst schützend zurückreißen, in Panik jedoch fast zertrampeln.

Eine ständig variierte, verdichtete Aktion duldet keinen szenischen Leerlauf, in Blick und Geste, selbst in der langsamen Profildrehung Brünhildes liegt ungeheure Spannung. Allerdings auch teilweise Gefahr der „Verzerrung“: Gutrune im Goldtalergewand mit Handspiegel gibt sich als hektisches Freudenmädchen, Alberich — in Wahrheit nur Hagens Traumerscheinung — umklammert den Sohn zu realistisch, die Hippie-Hochzeit Siegfried-Gutrune mit blumenschwenkenden Gespielen ist einfach billig, ; der Wechsel einer ohnedies kargen Rheinszene bei geschlossenem Vorhang ist unnötig, und der Schluß mit ratlos auf die zu lichte Bühne marschierenden verlorenen Menschen — groß und klein — verunsichert. Hier nimmt Rennert Wagners Regieanweisungen zu wörtlich. Ein spar-

sames Bühnenbild und buntgewürfelte Kostümträger (Jan Brazda) vermittelt gerade noch notwendige Illusionen. Der Clou: ein Laser-Blitz zerstört die Götterburg und damit das ganze All.

Musiziert wird überragend: Ingrid Bjoner (Brünhilde), Jean Cox (Siegfried), Karl Riddersbusch (Hagen), auch der junge Roland Hermann (Gunther) genügen höchsten Maßstäben, etwas biederer dagegen Klaus Hirte (Alberich), Leonore Kirschstein (Gutrune), stimmfrisch, leicht forciert Ortrun Wenkeis Waltraute, Nornen- und Rheintöchterterzett dramatisch-homogen, die Mannenchöre imposant. Wolfgang Sawallisch begann mit auffallend rascher Nornenszene, ließ dann das Orchester breit deklamieren und forderte ihm als Höhepunkt einen leidenschaftlich-pathetischen Trauermarsch, bereits voll einsetzend, ab.

Die letzte Regie des scheidenden Intendanten der Bayerischen Staatsoper, Günther Rennert, hat im Pro und Contra der Meinungen unbestritten zukunftsweisende Maßstäbe gesetzt.

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