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Desintegration

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In der ganzen Auseinandersetzung um die Stationierung der Draken in der Steiermark sind in der letzten Phase Töne laut geworden, die bedenklich stimmen: Da spricht zum Beispiel ein Leserbriefschreiber von der „Passion“ der Steirer, ein anderer betrachtet den Landesvater schon als eine Art Himmelvater, der seine Hand schützend über das Steirervolk breitet, und eine Anruferin polemisiert in einer Zeitung sredaktion gegen die Veröffentlichung eines Leserbriefes, weil der Einsender aus Schärding stamme und daher nicht das Recht habe, mitzureden.

Hier wird ein Irrationalismus spürbar, eine fehlgeleitete religiöse Inbrunst, die eindringlich zeigen, wie gefährlich das Spiel mit Emotionen werden kann.

Andererseits signalisiert diese Atmosphäre eine tiefsitzende Angst und Verunsicherung wegen der katastrophalen wirtschaftlichen Lage in der „grünen Mark“, die, vor allem was die dominierende verstaatlichte Industrie anlangt, „denen in Wien“ angelastet wird. „Und jetzt wollen sie uns diesen Krempel auch noch aufhal- sen.’ Solche und ähnliche Äußerungen hört man vom Mann auf der Straße.

Wie leicht eine solche labile und gereizte Stimmung in offene Aggression umschlagen kann — dessen sollten sich Politiker bewußt sein.

Bemerkenswert ist, daß in der Diskussion ein Aspekt völlig vernachlässigt wird: Nicht nur die unzweifelhaft direkt betroffenen Steirer sind gegen die Draken, sondern vorsorglich wurde auch von anderen Bundesländern bereits Widerstand angemeldet: In Niederösterreich verkündet der für den Umweltschutz zuständige Landeshauptmannstellvertreter Pröll, im Land unter der Enns hätten Draken nichts zu suchen. Im Land ob der Enns sagt Landeshauptmann Rat- zenböck sehr deutlich: Bei’ uns nicht! Wiens Helmut Zilk äußert sich ablehnend, und im Salzburger Gemeinderat kommt es allein wegen der Möglichkeit, daß in der Mozartstadt eines der schwedischen Altmodelle landen könnte, zu einem Riesenwirbel samt dem Beschluß, ein Landeverbot für die Draken auf dem Salzburger Flughafen auszusprechen.

Also: Wenn schon die Steirer dem Verdacht ausgesetzt werden, vaterlandslose Gesellen zu sein, die im Begriffe sind, den Gesamtstaat zu zertrümmern — wäre es dann nicht gerechtfertigt, eine sogenannte Desintegration auch in anderen Bundesländern zu konstatieren?

Und gehört die Sorgfalt, auf den Konsens zu achten, nicht ebenso zu den Grundsätzen demokratischer Politik wie die Notwendigkeit, den Erfordernissen des Gesamtstaates Rechnung zu tragen?

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