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Dichter auf der Stör

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Auf „die Stör", das heißt, in die . Häuser der Kunden gingen im Mittelalter die Handwerker, die keiner Zunft angehörten. Sie „störten" die Zunftordnung; den Bauern und Bürgern, deren Zeugs sie am Ort reparierten, waren sie willkommene Gäste.

In Rauris lebte heuer zu den Literaturtagen (12. bis 15. März) dieser Brauch wieder auf. Den 100 Germanistikstudenten aus Salzburg und Innsbruck ließ man Hildesheimer, Hoffer, Degner, Vogt, Hofmann, Herbert u. a. für ihre akademischen Arbeitskreise.

Die Bauern luden sich ihre Dichter unter Ausschluß der Öffentlichkeit ein. Nur engste Verwandte, Nachbarn und wenige Freunde trafen im Hergottswinkel eines Hofes zusammen. Eine prächtige, wunderbare Idee: In Stuben, die atts Shakespeares Zeiten stammen, wurde zu Vogelbeerschnaps und Pinzgauer Fleischkrapfen gelesen. '

Etwa beim „örgbauern", bei dem die Salzburger Schriftstellerin Catarina Carsten zu Gast war. „Ich bin kein Waldbauern-bua und ich schreib' keine Kalendergeschichten", leitete diese zarte Erzählerin ihre Lesung von Gedichten und Kurzgeschichten ein, die sie in jeder Stadt zwischen Hamburg und Wien auch vor „gebildetem" Publikum lesen kann. Zum Schluß bat der „örgbauer", ein Gedicht ein zweites Mal hören zu dürfen, damit er sich eine Zeile daraus für die Zukunft behält.

Bei einem anderen Bauern, noch tiefer drinn imGoldgräbertal, ist es nach der Lesung von Amans-hauser sogar zum Erzählen von Sagen gekommen. Dichter und Bauer hörten einander andächtig zu.

Nur die nimmerrastende Bäuerin wusch im Hintergrund klappernd das Geschirr ab. Sie konnte der „Dichter auf der Stör" weiters nicht stören. Seit Shakespeares Zeiten sorgt sie fürs leibliche Wohl.

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