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Die besondere Verantwortung

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Als die Bilder von serbischen Konzentrationslagern über das Fernsehen um die Welt gingen, gab es Schock-Reaktionen. Gleichzeitig aber wurde gewarnt: Natürlich seien diese Lager nicht vergleichbar mit den KZs der Hitler-Zeit. Sind die „ethnischen Säuberungen" in Bosnien vergleichbar mit dem Holokaust? Natürlich nicht. Aber muß alles Grauenhafte der Gegenwart relativiert werden, weil es etwas Grauenhafteres in der Vergangenheit gegeben hat?

Kürzlich hat der Europa-Beauftragte der „Anti-Defamation-League", Robert B. Goldmann, in einem Interview ein paar Dinge klargestellt, die wichtig sind - gerade aus dem Munde eines Mannes, der selbst der Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten entkommen ist. Goldmann vergleicht die ,3ndlösung" nicht mit den „ethnischen Säuberungen", aber er findet erschütternde Parallelen in der Politik der Serben, in ihrer Handlungsweise, mit der Technik des Holokaust: „Ich vergleiche nicht die Einzigartigkeit des Holokaust, sondern die Methode. Zum Beispiel: die Auswahl gewisser Orte, Dörfer, Regionen zur .Säuberung' - kalt, klar, strategisch ausgedacht. Nicht spontane Rachesituationen! Ich sehe die .ethnische Säuberung' in bezug auf Moslems als genaue, wörtliche Parallele dazu, eine Gegend, ein ganzes Land judenrein' zu machen. Das ist ja die genaue Übersetzung! Leute vertreiben, töten, schänden, foltern - weil sie einer gewissen Gruppe angehören, und nicht, weil sie etwas getan oder unterlassen haben."

Robert B. Goldmann vergleicht Vukovar mit Lidice und die organisierten Vergewaltigungsaktionen der Serben gegen moslemische Frauen vor dem Hintergrund einer unsinnigen biologischen Ideologie erinnern ihn an die Wahnsinnsmethoden des KZ-Arztes Mengele.

Und so hat die „Anti-Defama-tion-League" vor dem Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York - zusammen mit anderen jüdischen Organisationen - gegen die „ethnischen Säuberungen" der Serben protestiert: „Das Problem ist, daß man nicht daran gedacht hat, und daß man sich so auf die Einzigartigkeit des Holokaust konzentriert, daß einem gar nicht die Idee kommt, daß so etwas Ähnliches noch einmal passieren kann."

Einem Glaubensgenossen, der die üblichen Überlegungen anstellte, warum ein militärisches Eingreifen der Amerikaner in Bosnien so schwierig sei, stellte Goldmann die Frage: „Mal angenommen, diese Moslems wären nicht Moslems, sondern Juden...?"

Da senkte der den Kopf und schwieg.

Robert B. Goldmann findet, die Juden hätten nicht nur ein besonderes Schicksal, sondern auch eine besondere Verantwortung: Vor allem für das, „was in irgendeiner Weise dem nahe kommt, was ihnen passiert ist".

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