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Die Krise in Surinam

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Nach fünf Monaten gezielter Sabotagen der Freischärler um den ehemaligen Leibwächter von Oberst Desi Bouterse steht der selbsternannte Staatschef von Surinam auf unsicherem Posten: Die Volkswirtschaft ist schwer getroffen, die Dschungelbewohner fliehen ins benachbarte Fran-zösisch-Guyana, die Freischärler werden von Landsleuten in den USA und in Holland unterstützt.

Surinam (das ehemalige Hol-ländisch-Guyana) zeigte nach seiner Entlassung in die Unabhängigkeit (1957) alle Ansätze zu einer harmonischen mehrrassigen Demokratie. Dank der generösen Starthilfe der Holländer und der großen Bauxitreserven war auch die wirtschaftliche Anfangsphase gesichert.

Zwar votierten zweihunderttausend Surinamesen für die Abwanderung nach Holland (wo sie heute eine dichte Kolonie bilden), andere wanderten nach Miami aus, aber die verbleibenden 400.000 Bürger schafften in ihrer dünnbesiedelten (163.000 Quadratkilometer) Küsten- und Dschungelheimat einen akzeptablen Anfang.

Alles änderte sich jedoch, als 1980 einige Sergeanten der kleinen Armee putschten und unter dem Kommando von Desi Bouterse — der in der Folge rasch zum Oberst avancierte—einen Revolutionsrat inthronisierten.

Wurde der Putsch noch mit Gleichmut aufgenommen, versetzte doch die Ermordung von 15 oppositionellen Politikern, Intel-

lektuellen und Arbeiterführern knapp vor Weihnachten 1982 die Bevölkerung in Aufruhr. Auch konnte der Oberst nicht widerstehen, kubanische Militärberater ins Land zu holen.

Beides, das Blutbad und die Hilfe von Kuba, mußte Surinam mit einem hohen Preis bezahlen: die Niederlande froren die Finanzhilfe ein, von der das Land lebte; international geriet das Land in die Isolation. Gleichzeitig fielen die Bauxitpreise wegen der internationalen Aluminiumflaute, sodaß die einfache Nationalökonomie des Landes weitgehend stillstand.

Brasilien kam dem Land zu Hilfe, indem es mit Paramaribo die

diplomatischen und militärischen Kontakte verstärkte und mit Finanzhilfe einsprang. So konnte der Oberst die Verbindung mit Kuba zurückschrauben.

Im Juli 1986 kündigte er die Ausarbeitung einer Verfassung an, über die jetzt abgestimmt werden sollte. Doch die (konservativen) Exilierten in den Niederlanden und in Miami verziehen ihm nichts. Nach mehreren mißglückten Anfängen (drei Umsturzversuche waren bereits gescheitert) gelang es vor fünf Monaten mit dem früheren Leibwächter des Oberst, Ronny Brunswijk (jetzt „Kommandant“), über Franzö-sisch-Guyana eine Guerilla einsickern zu lassen.

Surinams Armee, die 2.000 Köpfe zählt, konnte sich der Aufständischen in der Ostregion zunächst kaum erwehren. In den Dschungeln und Sümpfen dieser Zone stießen die Freischärler zudem auf die Unterstützung der dort verstreut lebenden Neger und Buschmänner, die als Nachkommen geflüchteter Sklaven („Ma-roons“; Brunswijk ist ein Maroon, während der Oberst ein Kreole ist) isoliert weiterleben wollen.

Doch vor kurzem gab es mit Hilfe einiger Militärberater aus Libyen eine Gegenoffensive der Bouterse-Fraktion, sodaß im Moment eine heikle Patt-Situation besteht, die jederzeit explodieren kann.

Surinams Außenminister H. Herrenberg umwirbt jetzt die lateinamerikanischen Nachbarn und beschuldigt Frankreich, über seine benachbarte Kolonie die „Konterrevolution“ zu schüren. Tatsächlich will Frankreich eine rasche Befriedung, denn von Französisch-Guyana aus startet die europäische Weltraumrakete „Ariane“.

Paris ist vergällt, weil Oberst Bouterse die kaum gedeihenden Unabhängigkeitsbewegungen in den Uberseeterritorien der Karibik unterstützt.

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