7080234-1993_33_04.jpg
Digital In Arbeit

Die letzte Warnung

Werbung
Werbung
Werbung

Es begann mit einer „letzten Warnung” und endete österreichisch: im Einvernehmen. Eine „letzte Warnung” hatte Gerd Bacher dem für die Zeit im Bild um 19 Uhr 30 Uhr verantwortlichen Josef Broukal zukommen lassen. Broukal hatte den Regisseur Axel Corti in der ZiB zum Fall Jägerstätter zu Wort kommen lassen - sozusagen als Experten, denn der Regisseur hatte vor Jahren einen bemerkenswerten Film über den Kriegsdienstverweigerer gedreht, der vor fünfzig Jahren hingerichtet wurde.

Corti berichtete, er werde oft gefragt, ob Franz Jägerstätter denen zumutbar sei, die im Krieg ihre Pflicht erfüllt hätten. Er gestatte sich dann immer die Gegenfrage: „Sind die zumutbar, die sich unter der sogenannten Pflichterfüllung duckten?”

Das war natürlich eine Provokation für die Mehrheit der Seher und führte zur vorsorglichen Panik-Reaktion der „letzten Warnung”. Hier handle es sich um eine Verletzung der Objektivitätspflicht, meinte Bacher. Und Informationsintendant Johannes Kunz fand, Broukal habe es verabsäumt, Cortis Gastkommentar als solchen zu kennzeichnen. Das wäre allerdings ein Formfehler. Aber ist der schwerwiegend genug für eine „letzte Warnung”? Oder war der Vorwurf der verletzten Objektivität nur ein Vorwand?

Broukal stellte jedenfalls sein Amt zur Verfügung, die Redakteure probten den Aufstand. Vor der Generalprobe jedoch versicherte der ZiB-Chef dem Generalintendanten seine Loyalität und Bacher zeigte sich gnädig.

Damit ist der Friede hergestellt und eine Diskussion braucht nicht stattzufinden.

Nachträglich möchten wir aber doch einen Ansatz für eine solche Auseinandersetzung liefern, um die man sich in Österreich gerne drückt: Für alle, die im Zweiten Weltkrieg ihre Pflicht erfüllten, weil sie dem Befehl gehorchten, ist Franz Jägerstätter, der Befehlsverweigerer, der seinem Gewissen folgte, natürlich eine unzumutbare Provokation. Der unzumutbare Jägerstätter aber ist notwendig, weil er einen anderen Weg zeigte. Nicht zumutbar ist es, von allen anderen zu fordern, daß sie diesen Weg in den bewußten Tod ebenso gehen hätten sollen. Der Durchschnitt gewährleistet das Weiterleben. Das Außergewöhnliche sorgt dafür, daß dieses Leben Sinn und auch Werte hat.

Darüber alle fünzig Jahre einmal nachzudenken, ist zumutbar. Auch in der ZiB des objektiven ORF.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung