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Die Mafia am Ball

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Ein düsteres Bild der russischen Wirtschaft zeichnete der Moskauer Ökonom Vladimir Pankov bei einem Vortrag in Wien. Verantwortlich für die Misere sei vor allem die verfehlte Wirtschaftspolitik des ehemaligen Premiers Jegor Gaidar.

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Ein düsteres Bild der russischen Wirtschaft zeichnete der Moskauer Ökonom Vladimir Pankov bei einem Vortrag in Wien. Verantwortlich für die Misere sei vor allem die verfehlte Wirtschaftspolitik des ehemaligen Premiers Jegor Gaidar.

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„Die Regierung Gaidar hat es geschafft, Rußland zwischen die Stühle zu setzen. Sie hat die Planwirtschaft zerstört, ohne neue marktwirtschaftliche Strukturen aufzubauen”, erklärte Vladimir Pankov bei einem Vortrag am Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Institut. Damit habe aber der russische Staat alle Regulierungshebel aus der Hand gegeben, die nun fehlten.

Der Moskauer Ökonom Pankov hält nicht viel vom abgetretenen Premier der russischen Föderation. Gaidar habe die Preise freigegeben, ohne zuvor entsprechende Privatisierungsschritte zu setzen. In einem Land mit mehr als 1.000 Monopolbetrieben sei das ein schwerer Fehler gewesen, meinte Pankov. „Ich verstehe deshalb nicht, warum Gaidar im Westen zum Helden wurde.”

Weil Monopolbetriebe die Preise nach ihrer Freigabe am 2. Jänner 1992 beliebig festsetzen konnten, seien sie explodiert: Die Großhandelspreise um das 50fache, Fleisch um das 60fa-che und die Brotpreise um das lOOfache. Die

Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF), die einen Preisanstieg um das 14fache zeigen, hielt Pankov für „zu optimistisch”. Das sei aber verständlich, denn IWF-Experten seien Gaidars Berater gewesen.

Für die Privatisierung hätte die Preisfreigabe schlimme Folgen gehabt: „Geld hat nur mehr der, der in der Schattenwirtschaft tätig ist.” Zudem habe Gaidar nur wenig für die Privatisierung getan, obwohl seit Juli 1991 ein akzeptables „Gesetz über die Bildung von nicht übertragbaren Privatisierüngskonten” existiere.

Statt dieses Gesetz zu vollziehen, habe man Privatisierungskoupons geschaffen, für deren Gegenwert (10.000 Rubel) man nicht einmal einen Kühlschrank bekomme. Diese Koupons seien frei verkäuflich. Und das organisierte Verbrechen kaufe sie der verarmten Bevölkerung zu Spottpreisen ab. „Die Mafia ist bereits am Ball”, warnte der Gastprofessor an der Wiener Wirtschaftsuniversität.

Rußland werde aber an einer durchgreifenden Privatisierung nicht vorbeikommen, meinte Pankov. Für Jänner 1993 konstatierte er eine Belebung der Privatisierung. Aber erst gegen Ende der 90er Jahre werde die Eigentumsstruktur jener des Westens annähernd entsprechen. „Das wird noch ein Weg voller Schmerzen”, prophezeite Vladimir Pankov. Eine Rückkehr zur Planwirtschaft sei aber auszuschließen.

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