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Die Streitkrafte sind verunsichert

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Neben den schwierigen sozial-ökonomischen Problemen, deren Lösung in der Regierungserklärung vom 16. Jänner mit zurückhaltenden Formulierungen angeschnitten worden ist, steht die neue niederländische Regierung des Ministerpräsidenten van Agt gleichzeitig vor der Aufgabe, ihre verteidigungspolitische Position deutlich zu markieren.

Als wirtschaftlich leistungsfähiger Bündnispartner haben die Niederlande im westlichen Rücken der Bundesrepublik Deutschland und in der europäischen Nordflanke der NATO wichtige Verteidigungsaufgaben zu erfüllen. Die Qualität der einsatzfähigen Truppenteile wird von den Führungsstäben in der NATO voll anerkannt. Das aus der „Königlichen Militärakademie“ in Breda hervorgegangene Offizierskorps der Land- und Luftstreitkräfte genießt ein so hohes Ansehen, daß NATO-Generalsekretär Luns es sich nicht nehmen ließ, zur Eröffnung der Feierlichkeiten anläßlich ihres 150jährigen Bestehens selbst zu erscheinen. Auch die in Helder stationierten Marineeinheiten, die Marine-Infanterie und die Kommandotruppen, gelten als besonders zuverlässige Teilstreitkräfte.

Dennoch hegt über den Gesamtstreitkräften ein Schatten der Verunsicherung. Die Verteidigungsbereitschaft der jungen Niederländer ist durch parteipolitische und ideologische Auseinandersetzungen über die Notwendigkeit der NATO und ihrer Streitkräfte während der letzten Jahre in einem so starken Maße angetastet worden, daß der neue Verteidigungsminister Kruisinga sich bereits vor der Regierungserklärung veranlaßt sah, die „gesellschaftliche Akzeptierung“ der Streitkräfte als eine seiner wichtigsten Aufgaben zu bezeichnen.

Darüber läßt sich streiten. Denn solange noch in Schulen, Organisationen und Parteien die Dienstpflichtigen und Freiwilligen als „militaristisch“ und deswegen als gesellschaftlich im Grunde genommen nicht erwünscht abgestempelt werden, bedarf es des ganzen Einflusses der Regierung, um den Streikräften jenen selbstverständlichen Platz im niederländischen Volk zu geben, den sie verdienen. Der Verteidigungsminister kann das nicht alleine, ohne Parlament und die gesamte Regierung. Auf ihn warten schwierige Organisationsprobleme.

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