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Die „Szene"

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Endlich signalisiert man an allerhöchster Stelle mit jener Pestflagge, die zu hissen in den vergangenen Jahrzehnten versäumt wurde, und der ORF, dem Wink gehorsam, befaßte sich in einer Diskussion und in einer „Ohne-Maulkorb"-Re-portage mit der „Drogenszene" in Österreich.

Der herrschenden Doktrin zufolge wird die Tatsache, daß immer mehr Jugendliche und immer jüngere Jahrgänge auch hierzulande in die Paradiese des Teufels flüchten und sich mit Giften, Poplärm und gelangweilter sexueller Promiskuität zu betäuben suchen, auf „gesellschaftliche Zwänge" zurückgeführt.

Merkwürdig nur, daß es im Bombenhagel und unter Zwängen, von deren Perfektion man sich heute kaum eine Vorstellung macht, keine Süchtigen gab.

Es begann damit, daß man nach dem Kriege das Christentum zuerst auf dem, was man den „Unterhaltungssektor" nennt, später zum Teil auch in den Kirchen selbst unter Anklage stellte. Der zweite Schritt bestand darin, daß man den Jugendlichen einredete, sie müßten „sich selbst verwirklichen". Christen wissen, daß sich unweigerlich verliert, wer sich verwirklichen will, und daß sich findet, wer sich hingibt - an ein Werk, an eine Idee, an ein Du, an Gott.

Diese simple Erfahrung widerspricht der herrschenden Doktrin ebenso wie die Erkenntnis der Verhaltensforseher, daß der Mensch ein Mindestmaß an Entbehrung und Verzicht benötigt, um sich überhaupt entwickeln zu können . r

Man hat die Jugendlichen auf den Gebirgen des Wohlstands und der Bequemlichkeit ausgesetzt und war erstaunt, daß sie mit der Heroinspritze in Händen zurückkamen.

Man hat ihnen das „Glück" versprochen. Daß dieses Spießerwort und der Glaube an ein irdisches Dauer-Happy-End gerade aus der linken Ecke kamen, ist paradox, aber eine Tatsache.

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