6971150-1985_30_08.jpg
Digital In Arbeit

Die Verweigerung

Werbung
Werbung
Werbung

Elias Canetti wurde 80. Klar, daß kein Medienunternehmen mit Kulturauftrag an diesem Ereignis vorbeigehen kann. Der ORF machte sich denn auch gemeinsam mit seinen Co-Produktions-partnern ZDF und SRG daran, den großen „österreichischen Dichter” vor Mikrophon und Kamera zu bekommen.

Leider ohne Erfolg. Der große alte Mann europäischen Geisteslebens spielte nicht mit. Der Literaturnobelpreisträger war weder bereit, für den Hörfunk noch für das Fernsehen ein Interview zu geben. Er verweigerte sich einfach.

Er zwang die Programm-Macher, den schwierigeren Weg der Recherche zu gehen und nachfühlend sein Leben und Wirken zu reflektieren.

Canetti setzte damit — beabsichtigt oder nicht — ein Signal. Er beraubte die elektronischen Medien ihrer Stärken — er ließ sich nicht unmittelbar einfangen.

In einer Zeit, in der das Fernsehen bis in die intimsten Leidens- und Sterbezonen des Menschen eindringt, steht plötzlich eine Weigerung, sich dem Zwang der Zeit zu beugen.

Sicherlich: Sein „Mut” ist aus einem Stoff, den sich nur wenige leisten können. Aber viele sehen das Problem nicht einmal.

Die Chance, auch einmal in jedermanns Wohnzimmer präsent zu sein, übt auf viele Zeitgenossen magische Wirkung aus — und sei es auch nur als Pausenfüller und Statist bei Sportübertragungen.

Die professionelle Spielart der Magie läßt eine ganze Branche gut leben. Public Relation findet vielfach in der unauffällig ermöglichten Fernsehkunde noch immer die Krönung.

Eitelkeit ist heute dem Video-Bild verfallen. Weisheit begnügt sich freiweillig mit dem Spiegel.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung