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Die Zeit der drei Päpste

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Es ist zu begrüßen, wenn eine Biographie des Königs Wenzel IV. erscheint, die wieder einmal den Nachdruck auf die deutsche Innenpolitik seiner Zeit legt; die Symmetrie des Forschungsinteresses litt unter der Gründlichkeit, mit welcher tschechische Autoren jedes Detail damaligen Professorengezänks, jede Wendung junkerlicher Fehden erforscht haben. Auch ist des gegenwärtigen Autors Streben nach Unparteilichkeit zu loben; in seinem Literaturverzeichnis sind von Bartos bis Bretholz, von Macek bis Pfltzner allerhand Standpunkte vertreten. Endlich iist sein Urteil über Wenzel IV. doch wohl wesentlich richtig. Obwohl er weiß, daß die über Wenzel verbreiteten Raubersgschichten Erfindung waren (er glaubt freilich ein ähnliches Geschichtchen hussistischer Tendenz, S 274), meint Rieder doch, daß die neueren Apologeten Wenzels unrecht haben; es war ein schlechter König, und sein Feind der Erzbischof war bei weitem der bessere Mensch. — Den Vorzügen des Buches steht allerdings entgegen, daß der Autor denn doch etwas oberflächlich gearbeitet zu haben scheint. Den Verfasser seines Index hat er gar nicht beaufsichtigt, so daß diesem die Identität von „Želivsky, Jan” und „Seelau, Johann von” verborgen geblieben ist, obwohl der Text sie doch andeutet; aber auch im eigentlichen Buch erscheint Befremdliches. Ganz mißverständlich ist zum Beispiel der Satz Seite 263, wonach die Tschechen „gerade jetzt mehr und mehr die Deutschen als Herrenschicht über sich fühlten”. Da hätte es unbedingt heißen müssen „in den Städten”. Beneidet und befehdet wurde ja das deutsche Großbürgertum, die Ratsgeschlechter der königlichen Städte; der Herrenstand — jedenfalls im Landesinneren — war tschechisch. (Und bedauerte daher die hussitische Vertreibung jener Geschlechter nicht sonderlich; mit den neuen hussitischen Ratsherren hatte er natürlich erst recht Ärger.) Übrigens: Woher hat Rieder für des großen Feldhauptmanns Stammburg die Schreibung „Tratzenau”? Auf dem Gipfel der Germanisierung im Jahre 1826 schreibt der Schwarzenbergische Schematismus „Trotznau”. Und um nicht weitere Mücken zu seihen, schließen wir mit der Bemerkung, daß nach diesem angenehm geschriebenen Band noch immer Raum für eine gründlichere deutsche Biographie Wenzels IV. freibleibt.

WENZEL. Ein unwürdiger König. Von Heinz Rieder. Paul-Zsolnay- Verlag, Wien, 1970.304 Seiten,

S 140.—.

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