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Ein bodenloser Philosoph

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„Bodenlos" nennt Vilem Flusser seine „philosophische Autobiographie" - wohl eine der aufschlußreichsten Schriften von und über jüdische Emi-granten(schicksale). Flusser wurde 1920 in Prag geboren, war Philosoph, Schriftsteller und Kunstkritiker; 1938 emigrierte er über London nach Brasilien, um erst in den siebziger Jahren wieder nach Europa zurückzukehren. 1991 starb er in der Provence. Seit seinem Tod erscheinen nach und nach die Gesammelten Werke.

Flussers Autobiographie erzählt keine Geschichten, um die vordergründige Neugierde zu befriedigen; es wird aber das Geschehene als Geschichte ausgebreitet: Vom bürgerlichen Prag vor dem Zweiten Weltkrieg über die Vertreibung durch die Nazis bis zum Scheitern des brasilianischen Modells und der Rückkehr nach Europa.

Wir erfahren sehr Persönliches: Den Fall eines Individuums in die Boden-losigkeit, in dem sich die Gattung Mensch wiederfindet - als Vorgeschichte für die Nachgeschichte (auch Nachgeborenen). Aber auch die Gegenbewegung zum Sturz in den Abgrund wird deutlich: Die Auseinandersetzung mit den bedeutendsten Geistern Brasiliens. Lebendig werden sie in den „Dialogen". Dort wird - was zunächst Verlust zu sein schien - als Gewinn von Freiheit erkannt, Freiheit, die nie ihren Preis vergißt.

Flusser gelingt es, in der Schilderung eigener Erfahrung das Paradigma einer intensiven Existenz glaubhaft vorzustellen - davon lebt dieses ansprechend gestaltete Buch.

BODENLOS. Eine philosophische Autobiographie, mit editorischen Notizen von Edith Flusser und Stefan Bollmann. Von Vi lern Flusser. Bollmann Verlag, Düsseldorf 1992. 295 Seiten, öS 297,-.

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