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Ein gänzliches anderes Spanien

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Auch dies eine Leistung der EG: Zum hundertsten Geburtstag von Juan Ramön Jimenez (1881 -1956) hat eine Kommission der EG zehn poetische Fragmente des spanischen Nobelpreisträgers herausgebracht. Es ist ja ein altbekanntes Problem, daß just dort, wo sich der Nationalcharakter am unmittelbarsten und von soziologischen Faktoren zumeist ungebrochen aussprechen kann, nämlich in der Lyrik, wir auf die größten Schwierigkeiten stoßen, diese Wesenszeugnisse in überzeugender und ungeschmälerter Form in andere Sprachen zu übertragen.

Im deutschen Sprachbereich war es vor allem der österreichische Dichter Ernst Schönwiese, welcher mit seinen einfühlsamen Übersetzungen bemüht war, die Lyrik Jimenez, eine „weltfromme Mystik", bekannt zu machen. Die nun erstmals in deutscher Sprache vorliegenden zehn Fragmente sind deshalb so'fesselnd, weil sich in ihnen der Bewußtseinsstrom eines außergewöhnlich sensi-

bilisierten Geistes ergießt, ohne sich einer künstlichen Regulierung unterwerfen zu lassen. Wir haben hier einen „feinsinnigen Rohstoff vor uns, einen poetischen Essayismus, der das politische Leben ebenso wie das private umfaßt, sich aber bis zum Tod des Dichters einer Endredaktion entzogen hat.

Von den vielen überraschenden Bemerkungen sei aber doch einiges zur Poeto logie erwähnt: „Meine Dichtung ist delikater und zärtlicher als ich selbst... So aber haben es alle in die Kunst verliebten Künstler gesehen, von Botticelli bis Chopin... Eine Frau, die feminine Dichtung schafft, ist machohaft..." Auch dafür könnten wir das eine oder andere „Belegexemplar" heranziehen.

JUAN RAMÖN JIMENEZ. TEMPO/ESPACIO. 10 poetische Fragmente. Mit einer poetischen Hommage von Pureza Canelo. Edition Delta, Stuttgart 1992. 95 Seiten, öS 175,-.

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