7015824-1988_25_20.jpg
Digital In Arbeit

Ein Gartenzwergproblem

Werbung
Werbung
Werbung

Zu meiner Verblüffung war da ein Gartenzwerg in dem geräumigen Grünland rund um die Villa des Gastgebers. Mit allem Drum und Dran stand er zipfelbehaubt und schubkarrenhaltend inmitten der Snobiety, in die ich per Einladung zum Gartenfest geraten war.

Noch ehe ich mir über mein eigenes ambivalentes Verhältnis zu Gartenzwergen Rechenschaft ablegen konnte, noch ehe ich den Besitzer desselben insgeheim zum Spießbürger, zum Hundertwasser-Epigonen oder einfach zum Liebhaber des Beschaulichen ernennen konnte, entspann sich angesichts der tatsächlichen Uber-dimensionalität des bunten Steingutgesellen in meiner Nähe ein. Disput.

„Ein Riesengartenzwerg!“ konstatierte eine dickliche Dame, offenkundig Bewunderin alles Exquisiten.

„Sie meinen wohl: ein Gartenzwergriese“, sagte ein mir nicht näher bekannter Journalist und fügte erklärend hinzu: „Ein Riesengartenzwerg wäre nämlich ein Zwerg in einem Riesengarten, und so groß ist das Gelände nun ja wieder nicht.“

Ein Herr im Bauernjanker mischte sich ein. „Sie irren. Will man die Größe dieses Zwerges in einem Hauptwort zusammenfassen, muß man Gartenriesenzwerg sagen. Das Wort Riese muß nämlich unmittelbar vor dem als groß zu bezeichnenden Begriff stehen.“

„Unsinn“, murrte nun ein weißhaariger, aber rüstiger Mann von hinten in die Unterhaltung. „Es gibt keine Riesenzwerge. Ein Zwerg ist so lange ein Zwerg, als er das Merkmal des Zwerges, nämlich klein zu sein, aufweist. Es gibt ja umgekehrt auch keine Zwergriesen. Und es gibt schließlich auch keine schwarzen Schimmel.“

„Dann also doch Gartenzwergriese“, meinte eine junge Dame, die dem Journalisten von vorhin aus einsichtigen Gründen gefällig sein wollte. „Im selben Sinn sagt man ja zu einem großen Schiff auch Schiffsriese.“

„Aber auch Riesenschiff!“ unkte ihre Nachbarin dazwischen, der die grammatische Annäherung der beiden sichtlich nicht paßte.

„Außerdem -“, platzte da der Hausherr höchstpersönlich ins Gespräch, zu dem er aber erst gestoßen war, „außerdem ist mein Garten doch, ich muß schon bitten, kein Zwerggarten. Denn eben dies sagt doch in Anlehnung an das Wort Schiffsriese das Wort Gartenzwerg eindeutig aus.“ Er vergaß ganz und gar, daß ein Gartenzwerg eben ein Gartenzwerg und kein Zwerggarten war, doch Unlogik hatte sich allenthalben, gepaart mit Besserwisserei, breitgemacht, und dies erkennend, sprang der bis zu diesem Zeitpunkt stille junge Mann unmittelbar vor mir ein.

„Man muß“, rief er enthusiasmiert, „einen Bindestrich setzen! Gartenzwerg — Bindestrich — Riese wäre da eine Möglichkeit. Oder Riesen — Bindestrich - Gartenzwerg. Oder Garten - Bindestrich — Riesenzwerg.“

Eine Betroffenheitsphase der Diskutanten folgte. Dann fielen sie über den Jüngling her.

Bindestriche, riefen die Verfechter der verschiedenen Theorien unisono, seien wohl beim Schreiben ein Hilfsmittel, blieben aber beim Sprechen, und das tue man ja hier und jetzt wohl, unhörbar. Mit Bindestrichen käme man also nicht weiter.

In diesem Moment hatte jemand — oder war's sein eigener Verzweiflungssprung?—den Gartenzwerg von seinem Sockel gestoßen, er fiel auf harte Granit-platten, und klirrend zerbrach er zum Schrecken der Umherstehenden in zahlreiche Stücke.

Jetzt frage ich Sie: Waren diese roten, blauen, grünen und gelben Trümmer nun Riesengarten-zwergscherben? Oder Gartenzwergriesenscherben? Oder Gar-tenriesenzwergscherben? Oder Gartenzwerg-Riesenscherben? Oder Riesen-Gartenzwerg-Scherben? Oder -?

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung