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Ein Mädchen für alles

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Man war auf den 41jährigen Vamp gespannt, hier in der Grazer Messehalle, zu Beginn des Milva-Konzertes. Der erste Auftritt ihrer Tournee. Aber wer erschien? Ein Knabe mit Lausbubenmütze, bekannt aus „The Kid" von Charlie Chaplin. So startete sie den gelungenen Zwei-Stunden-Abend, der Lieder von Brecht, Theo-dorakis, Sentimentalmelodien mit Tiefgang und manchmal auch zeitkritische Liebeslieder vermittelte. Einem recht sterilen Grazer Publikum. Doch das sei sie gewöhnt, meinte sie in einem Pressegespräch.

Kurz vorweg: Es war ein schöner Abend mit einem vielseitigen Talent. Ihr Stimmumfang beeindruckt: Zärtlich-verzweifelt, wenn es um die Liebe und alle damit verbundenen angenehmen und wenig amüsanten Nebenerscheinungen geht. Entschlossen-brutal, fast vulgär, wenn Brecht auf dem geistigen Podium erscheint. Verspielt, wenn sie Pierrot mimt. Wenn er lustig sein muß und trotzdem im Innersten vor Liebe verzweifelt. Da breitet sie die Arme aus, daß weiße Kostüm ergibt einen unregelmäßigen Halbkreis. Eine Marionette, die im Sterben liegt.

Dann, knapp eine Minute später, tauchte sie im weißen Frack auf und zeigte, wer Gastone ist: Eine italienische Figur, halb Gigolo, halb Kasperl. Ein italienischer Möchte-gern-Verführer.

Der erste entscheidende Applaus

setzt nach ihrem Rumba-Poutpourri ein. In einem enggeschnittenen schwarzen Kleid vermittelt sie Tango-Atmosphäre. Ganz stimmhaft.

Milva hat Lieder auf italienisch, deutsch, spanisch und französisch einstudiert. „Die Hauptsache ist", beteuert sie der Presse, „daß man weiß, was man singt."

Egal in welcher Sprache: Sie weiß es sehr wohl. Brecht, Theodorakis, anspruchsvolle Chansons und Zeitkritik, charmant verpackt. Wenn es um die Frau geht, die sich zwischen zweien nicht entscheiden kann. Wenn von der Würde des schwachen Geschlechtes die Rede ist. Wenn das Alltagsgrau angegriffen wird.

Sie möchte übrigens gerne die Rolle der Evita Peron spielen, im Theater an der Wien. Sie würde es sich wünschen. Genauso wie eine Tournee nach Japan, die jedoch bis heute ständig an ihrem überfüllten Kalender scheiterte.

Nur das Publikum fügte sich nicht .in das harmonische Gefüge der Messehalle. Hier die rothaarige Milva und das ausgezeichnete Orchester und dort, auf roten Plastikstühlen, ein kühles Auditorium verschiedenen Alters. Das zwar klatscht, aber offenbar gefühlsmäßig klinisch rein bleiben will. Fern jeglicher Emotion. Ein Liedtext der Milva: „Niemals verlorst du die Kontrolle. Und ich spielte meine Rolle."

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