Ein minderwertiges Stück

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Der Titel des Stückes lautet „Offene Zweierbeziehung“. Im Schlosstheater auf dem Lande wird es frei nach Dario Fo interpretiert. Der Mann ­hatte Sinn für Commedia dell’Arte. Hier aber bekommt das Stück einen Drall. Es klingt wie das Programm einer Kulturpolitik. Auf der Bühne stehen die Heimat und das Kreuz. Das Kreuz verbeugt sich und sagt: Dildo ergo sum. Ein Staunen geht durch das Publikum. Stille. Auch der Chor schaut sich betreten um. Das Kreuz kapiert und beginnt von vorne. Es verbeugt sich noch einmal und sagt: Divido ergo sum. Der Patzer spricht sich auch im Kirchenlatein um. Die Regierung, der Chor, mehrstimmig wie ein Bienenschwarm. Ergo sum sum. Im Laufe des Stückes wachsen dem Kreuz Haken. Der Chor koloriert das Geschehen in allen Farben der Kornblumen und Trachten. Das Fremdgehen ist kein Thema im Stück. Die offene Zweierbeziehung will, dass niemand fremdkommt. Das ist der Heimat zu wenig. So kommt es zum Streit. Sie packt die Koffer, fährt nach Venedig. Da stürzt sich das Kreuz aus dem Fenster und zersplittert. Die Heimat hört von dem Unglück. Natürlich kommt sie zum Begräbnis. Aber jeder kann sehen, sie ist gar nicht traurig. Sie blüht regelrecht auf. In der Erde stecken Rosen mit Messern. Wer nicht aufpasst und an ihnen riecht, sticht sich die Augen aus. Das Hakenkreuz arbeitet an seiner Auferstehung und gräbt sich an die Oberfläche. Die Heimat hat schon längst einen neuen Lover. Er ist glatt und glänzt und sieht aus wie ein Souvenir aus Marmor und ist ganz rund. Er wohnt in einer Vitrine. Die Heimat nimmt den Buddha auf. Er ist aus einem ganz anderen Material als gedacht. Er ist ein Gemisch aus pulverisiertem Serotonin und Leim. Man kann ihm auf diesen gehen. Der Wiederaufnahmehemmer hellt ja nur die Stimmung auf. Die gläsernen Rosen mit ihren Messern in der Heimat des venezianischen Pavillons halten länger. Sie rüsten die Heimat aus gegen die Wiedermänner und -frauen und so summen sie auch.
für Renate Bertlmann

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